Rückblicke auf vergangene Veranstaltungen

Am Donnerstag, den 16.1. wurde im Apollo-Kino der Film „September 5“ in Kooperation mit der DIG Aachen e.V. im Rahmen des Formats „Kino im Dialog“ gezeigt. 50 bis 60 Anwesende folgten der anschließenden einstündigen Diskussion, die von Richard Gebhardt, politischer Bildner und Publizist und Jonas Paul, Politologe und Mitglied unseres Vorstands moderiert wurde. Bei dem einleitenden kurzen Dialog zwischen den Moderatoren wurden Aspekte der ethischen Verantwortung von Medien, der Wirkmacht von Bildern und deren Entwicklung seit den 1970er Jahren bis heute vertieft. Außerdem wurden die Bezüge der Terroristen des „schwarzen Septembers“ zu RAF-Terroristen und zu Rechtsradikalen, wie der Wehrsportgruppe Hoffmann thematisiert, die zeigen, wie damals wie heute Antisemitismus als Klammer zwischen allen Milieus von rechts über die Mitte bis links virulent sind. Bei der anschließenden sehr konstruktiven Diskussion kamen vor allem persönliche Bezüge und Erinnerungen zur Sprache, die teilweise sehr emotional waren und Betroffenheiten zum Ausdruck brachten.

Dieser Essay basiert auf der Rede, die Christoph David Piorkowski auf der Gedenkveranstaltung der DIG Aachen anlässlich des ersten Jahrestages des 7. Oktober gehalten hat. Die Antisemiten werden den Juden den 7. Oktober nicht verzeihen Mit dem 7. Oktober 2023 ist für Juden und antisemitismuskritische Menschen ein neues Zeitalter angebrochen. Das geistige Virus des Judenhasses hat eine neue Mutationsstufe erreicht. Ein Essay. Von Christoph David Piorkowski Mit dem genozidalen Massaker der Hamas – einem Ereignis, das bis heute keinen Begriff gefunden hat, der die Spezifik dieses grausamen Verbrechens adäquat zu bezeichnen vermöchte – mit dem 7. Oktober 2023 also sind Jüdinnen und Juden überall auf dem Globus in einer veränderten Welt aufgewacht. Natürlich hat sich das Ressentiment auch vor diesem Tag allenthalten geäußert – insofern ist 10/7 keine bloße Zäsur. Und doch, so scheint es vielen Betroffenen, ist in der Folge etwas anders geworden, Antisemitismus als Virus des Geistes hat eine neue Mutationsstufe erreicht; für den Großteil der Menschheit war der 7. Oktober spätestens am 8. Oktober vorüber, für Juden und mit Juden solidarische Personen hat der 7. Oktober an jenem Tag begonnen – seither ist jeden Tag 7. Oktober. Die Selbst-Gerechten unter den Völkern blieben keine 24 Stunden lang stumm. Die Leichen des antisemitischen Massakers, das die Hamas in Israel verübt hat, waren noch nicht einmal sämtlich geborgen, da startete in zahllosen Ländern der Welt schon die schuldprojektive Empörungsmaschine. Angesichts der antizipierten Vergeltung, die Israel in Gaza wohl ausüben würde, fantasierten die notorischen Israelhasser schon von einem Genozid an Palästinensern, noch bevor die IDF ihren Marschbefehl erhielt. Selbst durch Massenvergewaltigung und Folterung von Frauen oder das Töten von Kindern im Beisein ihrer Eltern wurde das binäre Wahrnehmungsmuster, in dem die Israelis als bösartige Täter und die Palästinenser bloß als Opfer erscheinen, vielen Menschen nicht als das offenbar, was es ist: Das Produkt eines antisemitischen Wahns, einer Ideologie, in welcher „die Juden“ auf alle Zeit die Rolle des Bösen bekleiden. Das antijüdische Ressentiment folgt keiner einfachen Abwertungsformel, ist anders gelagert als klassischer Rassismus. Antisemitismus definiert seine Objekte als schwach und übermächtig zugleich. Die Juden werden zwar als Schädlinge gedeutet, doch auch als heimliche Herrscher der Welt. So ist Antisemitismus kein bloßes Vorurteil, sondern eine Ideologie mit Allerklärungsanspruch, die ein gesundes und grundgutes Volk mit einer krankhaften und bösen Elite kontrastiert – oder auch die reinen Indigenen Palästinas mit den angeblich „raumfremden“ Kolonisatoren. Wo rassistische Projektionen ihre Objekte vornehmlich abwerten, gilt „der Jude“ als nachgerade teuflischer Frevler, als Urgrund und Prinzip alles Bösen auf der Welt, als ein Zerstörer der natürlichen Ordnung, und nicht zu akzeptierende Form der Existenz. Seit dem Holocaust zeigt sich Antisemitismus indes häufig in einer sich selbst verleugnenden und mithin oberflächlich camouflierten Form. Seine aktuell häufigste Artikulation findet er in sogenannter „Israelkritik“, in der klassisch antisemitische Motive wie Kindermord, Rachsucht, Medienkontrolle, Zersetzung, Täuschung und heimliche Machenschaften häufig eins zu eins aufzufinden sind – wie etwa die umfangreichen empirischen Studien der Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel illustrieren. So lässt sich das Ressentiment artikulieren, ohne „die Juden“ beim Namen zu nennen. Im „Palli-Washing“ des Antisemitismus zeigt sich die Umweg-Kommunikation des postnazistischen Antisemitismus, der sich als moralische Haltung verkauft. Léon Poliakov erklärte zu Recht, Israel sei heute der „kollektive Jude“, ja gleichsam der „Jude unter den Staaten.“ Dabei wird Judenhass immer zu Notwehr erklärt, ist geprägt durch die Umkehr von Täter und Opfer – wie einst Adorno und Horkheimer schrieben, werden die Juden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt. Dieses Muster des völkischen Antisemitismus lässt sich auch auf den von Islamisten übertragen, welche sich als Schüler der Nazis offenbaren, die sich anschickten, Teile der arabischen Welt in den 1930er und 40er Jahren verschwörungsantisemitisch zu verhetzen – wodurch der Antisemitismus auch zur maßgeblichen Ursache (und nicht bloß zur Wirkung) des Nahostkonflikts wurde. Der Wille zur Vernichtung des „Zersetzers der Ordnung“ und personifizierten Prinzips der Moderne, des Sündenbocks für alle Verwerfungen der Welt wird den Objekten dieses uralten Hasses in pathisch-projektiver Weise unterstellt. So scheint es legitim eben diese zu vernichten. Wenn sie sich dann wehren, und sei es mit Krieg, fühlt sich der antisemitische Geist in seiner krankhaften Wahrnehmung bestätigt, dass die Juden die eigentlichen Völkermörder seien. Dabei steht dieser hyperbolisierende Vorwurf bereits seit etlichen Jahren im Raum, dafür braucht es den aktuellen Gaza-Krieg nicht, der zwar auf rücksichtslose Weise geführt wird, doch sicher keine Absicht zur Vernichtung impliziert. Das Narrativ ist gefeit gegen jede Empirie. Der Hasser schnappt nach jedem empirischen Krümel, der ihn in seiner wahnhaften Weltsicht bestätigt, doch käme er auch ohne Erfahrungssplitter aus. Im Maschinenraum des Geistes werden im Akkord die gleichen projektiven Bilder produziert, die fremde Erfahrung mit Bekanntem ummantelt, bis sie sich in letzterem aufgelöst hat. Statt einer mimetischen Annäherung der Wahrnehmung an die Wirklichkeit, wird eine Identifikation des Wirklichen mit der – ob der Macht des antisemitischen Ressentiments – vor jeder Erfahrung installierten Wahrnehmungsapparatur vollzogen. Oder wie Jean-Paul Sartre formulierte: Nicht die Erfahrung schafft das Bild vom Juden, sondern das Vorurteil fälscht die Erfahrung. Dabei können es Antisemiten nicht ertragen, Jüdinnen und Juden als Opfer zu erleben. So erklärt sich der gleichsam pathologische Reflex, die Shoah und nun auch den 7. Oktober zu verleugnen oder zu bagatellisieren – das Pogrom gar als Akt der Befreiung zu feiern. Man muss sich das klarmachen: Die Hamas hat ihre Grausamkeit dokumentiert, sie hat die Bilder ihres Menschheitsverbrechens als Fortsetzung dieses Verbrechens benutzt, die Videos der Gräuel als Waffen verwendet, um das jüdische Trauma-Gedächtnis zu treffen. Die Botschaft des Terrors war unmissverständlich: „Ihr seid auf alle Zeit von Vernichtung bedroht. In eurer vermeintlichen Schutzstätte genauso, wie an jedem anderen Ort auf der Welt“. Nicht von ungefähr haben die Hamas-Terroristen eine Woche nach dem 7. Oktober den sogenannten „Tag des Zorns“ ausgerufen und Jüdinnen und Juden zu Freiwild erklärt. Dann aber passierte folgendes: Trotz oder vielmehr wegen der öffentlichen Verlautbarung ihrer genozidalen Absichten, hat die islamistische Mörderbande ihre Bildpolitik bald radikal geändert. Nun postete man nicht mehr die Fotos von gefolterten Frauen, denen man eine Kugel in den Intimbereich geschossen hatte, sondern jene von totgebombten Kindern in Gaza. Die Hamas und ihre antisemitische Schutzmacht, das klerikal-faschistische Mullah-Regime, scheinen sich mit Blick auf die jüdischem Leben gegenüber völlig empathielose Reaktionsweise weitester Teile der Weltöffentlichkeit – die sich höchstens kurz an den Hamas-Gräuel störte und anschließend den Judenstaat dämonisierte – von Anfang an sicher gewesen zu sein. Man konnte sich das öffentliche Massaker leisten, und wusste, dass man schließlich doch als Opfer gelten würde. Bald wurde von den großen Medienhäusern der Welt, von New York Times, CNN, BBC und vielen anderen fast ausschließlich über das Leiden der palästinensischen Bevölkerung berichtet, während der 7. Oktober und die israelischen Geiseln allerhöchstens noch als Fußnote vorkamen. Die für den Antisemitismus maßgebliche Umkehr von Täter und Opfer, von Ursache und Wirkung findet sich nicht zuletzt in den Nahost-Diskursen der seriösen bürgerlichen Mitte der Gesellschaft – auch dieser Tage wird das allenthalben offenbar. Das Gros der Rezeption auch westlicher Medien des Krieges zwischen Israel und Hisbollah, stempelt den jüdischen Staat zum Aggressor, der den Konflikt nun grausam eskaliere. Dass die vernichtungsantisemitische Hisbollah – ein Export der islamischen Revolution – vor allem deshalb ins Leben gerufen wurde, um als Proxy der Mullahs gegen Israel zu kämpfen, und die radikal-islamistische Miliz aus dem Libanon fast jeden Tag Raketen abfeuert, scheint für viele Menschen dabei kaum von Belang. So wie im Nahost-Diskurs selten erwähnt wird, dass die Nakba – die Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 Palästinensern – sich in Reaktion auf den Angriffskrieg vollzog, den ein breites Bündnis aus arabischen Staaten gleich nach der Staatsgründung Israels vom Zaun brach. Als wäre es die jüdische Seite gewesen, die den Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 abgelehnt hätte – der Jischuv war es, der die Zwei-Staaten-Lösung wollte, die arabische Seite aber lehnte sie ab, man wollte keine jüdische Präsenz in Palästina. Und viele wollen diese bis heute nicht dulden: So stimmen nach neueren Umfragen zum Beispiel 77,7 Prozent der Menschen im Westjordanland und 70,4 Prozent der Menschen in Gaza einer rein palästinensischen Einstaatenlösung zu, also einer, die auch einen solchen Staat ablehnt, in dem beide Völker zusammenleben würden. „From the river to the sea“ meint Vertreibung und Vernichtung. Die jüdisch-israelische Sicht auf die Dinge, die Notwendigkeit, das Überleben zu sichern, der Umstand, dass der einzige jüdische Staat mit der Größe des deutschen Bundeslands Hessen seit seiner Gründung von Vernichtung bedroht ist und es sich nicht leisten kann, Kriege zu verlieren – all das spielt in vielen Berichten keine Rolle. Um hier nicht missverstanden zu werden: Das Leiden der Menschen in Gaza ist furchtbar, jedes tote Kind ist eines zu viel, und auf jeden Fall muss man vieles an der israelischen Kriegsführung, an der Regierung Netanjahu und auch an der Gewalt rechtsreligiöser Siedler im Westjordanland kritisieren. Doch die Antisemiten von rechts und links, aus der Mitte und aus dem islamistischen Lager interessieren sich nicht für die Kinder in Gaza, die die Hamas als Schutzschild missbraucht. Sie sind bloß ein nützliches Mittel zum Zweck, um Hass mit Humanität zu ummanteln und den Antisemitismus als ehrbar auszugeben. Beinahe obsessiv haben Organe der UN, weite Teile der weltweiten Presse, Kunstszenen sowie akademische Milieus auf Israels Einmarsch in Gaza gestarrt. Keine andere Gewalt auf der Welt produziert eine so intensive Empörung. „No Jews, no News“ ist der implizite Leitfaden antisemitischer Affektökonomie. Israelbezogener Antisemitismus grassiert auch ohne das Leiden in Gaza. Er stellt sich an diesem lediglich scharf, um sich dann hemmungslos auszuagieren. So waren die Bomben ein beruhigender Balsam für irritierte antisemitische Seelen. Die kognitiven Dissonanzen, die die Nachricht von enthaupteten Babys womöglich bei manchen notorischen Israelhassern bewirkt hatte, waren augenblicklich aufgelöst. Endlich schien die empirische Welt wieder komplett mit der ideologischen Betrachtung versöhnt. Gut war wieder gut, und Böse wieder böse. Welche Wirkungen haben die Attacke der Hamas, und die israelische Antwort darauf, in Gesellschaften rund um den Globus entfaltet? 10/7 hat die traurige Erkenntnis bestätigt, dass selbst ein eliminatorischer Antisemitismus, vor dessen Grausamkeit die menschliche Sprache versagt, weiteren Antisemitismus erzeugt, anstatt dessen Kritik durch die Mehrheitsgesellschaft. Der antisemitische Vernichtungsexzess, den die Hamas in aller Offenheit vollführt hat, und der ihre bereits in der Gründungscharta freimütig publizierte Absicht widerspiegelt, hat bei den allermeisten Menschen auf dem Globus gerade nicht dazu geführt, sich gegen Judenhass zu stellen. Stattdessen verzeichnen etwa jüdische Museen seit dem 7. Oktober einen Rückgang der Besucher. Stattdessen vernimmt man ein dröhnendes Schweigen, auch von Menschen, die man eigentlich als Freunde vermeinte. Stattdessen bricht das schwelende Ressentiment in den verschiedensten Segmenten der Gesellschaft nun immer aggressiver und unverhohlener auf. Der Judenhass des Einen führt zum Judenhass des Nächsten, die Mauern der postnazionalsozialistischen Tabuzone offener Feindschaft gegen Juden waren immer schon wacklig und stürzen jetzt ein. Das Klima ist schon vor 10/7 rauer geworden: Laut einer Studie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) haben 80 Prozent der europäischen Juden in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg antijüdischen Hasses erlebt. Alle diesbezüglichen Erhebungen zeigen, dass sich die Lage nun noch einmal verschärft. Wir erleben in Europa und den USA eine Flutwelle antisemitischer Gewalt, wie seit 1945 nicht mehr. Von Judenhass getragene Großdemonstrationen in Städten wie London, Paris oder Berlin, wo „antiimperialistische“ Linke mit Islamisten im Gleichschritt marschieren, während die postkolonial geprägte Academia der selbstgerechten Rage der Straße sekundiert. Gewalt gegen jüdische Einrichtungen, Schändungen von Orten des Holocaustgedenkens. Bedrohungen von und Angriffe auf jüdische Studenten und jüdische Schüler, sowie Journalisten und Politikerinnen, die sich gegen Judenhass positionieren. Markierungen von Häusern, die von Juden bewohnt werden, Brandanschläge auf Synagogen und antisemitismuskritische Einrichtungen, Mobbing und entgrenzte Hasspropaganda auf Tik Tok, Instagram, Youtube und X. Aktuell wird eine ganze Generation auf Tik Tok und Co. in den Kaninchenbau antisemitischer Verschwörungsmythen hineingetrieben. Insbesondere jüngere Menschen, so zeigen es Umfragen aus den USA, neigen dazu, Israel zu dämonisieren. Was wir leider wenig bis gar nicht erleben, sind große Solidaritätsdemonstrationen, auf denen nichtjüdische Menschen den Terror der Hamas und den Terror von Antisemiten in Europa als solchen benennen und dagegen aufbegehren. Stattdessen zieht überall der Mob durch die Straßen, judenfeindliche Symbole und Parolen sind im öffentlichen Raum oft normalisiert, nicht zuletzt an zahlreichen Universitäten, die die Elite von morgen hervorbringen. Juden, die in der Diaspora leben, müssen tagtäglich mit Gewalt kalkulieren, wenn sie es wagen, sich als Juden zu zeigen. In der U-Bahn in Berlin eine Kippa zu tragen, in Wien auf der Straße Hebräisch zu sprechen – eigentlich selbstverständliche Handlungen werden sich wohl manche lieber zweimal überlegen. Öffentliches jüdisches Leben in Europa muss sich notgedrungen hinter Panzerglas ereignen. Wie unfassbar traurig und beschämend das ist. Doch bei sehr vielen Menschen in der Gesellschaft ruft der Antisemitismus nicht mal ein Achselzucken hervor. Und während Juden in Europa auf gepackten Koffern sitzen, weil sie nicht wissen, wie lange sie den Hass noch ertragen können, sind manche „Experten“ primär darum bemüht, das Phänomen Antisemitismus zu verrätseln und definitorisch in der Schwebe zu halten. So scheinen viele Akademiker, nicht zuletzt in Deutschland, mehr um die Freiheit zur Hassrede besorgt, als um die Freiheit von jüdischen Studierenden, die aus Furcht vor dem selbstgerechten Mob, der die Campus von Universitäten bevölkert, die Uni meiden, sich exmatrikulieren, einfach nur noch wegwollen, aber wohin? Als skandalös wird oft weniger der Antisemitismus als vielmehr dessen Skandalisierung empfunden. Wie oft in der Geschichte wird Gewalt gegen Juden in den Vorwurf des Antisemitismus projiziert, als „Angriff auf die Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit“. Als wäre nicht der dämonisierende Boycott israelischer Künstlerinnen und Forscher das Problem, sondern der in Unis und Kulturinstitutionen nach wie vor seltene Boycott der Boykotteure. Viele scheinen den Antisemitismusvorwurf jedenfalls schlimmer zu finden als den Antisemitismus selbst. Was das Entsetzen vieler Juden über die Gewalt des 7. Oktober und die antisemitischen Ausschreitungen auf dem Planteten verstärkt, sind der Umstand mangelnder Solidarität, das laute Schweigen und die Gleichgültigkeit weitester Teile der Mehrheitsgesellschaft. Für Jüdinnen und Juden bedeutet 10/7 eine langfristig doppelte Verunsicherung: Sowohl das Leben in sämtlichen Ländern der Diaspora, als auch jenes im vermeintlichen Nothafen Israel ist seit dem 7. 10. gefährlicher geworden. Wo soll man noch hin, lautet die drängende Frage, wenn das Ressentiment in Gewalt umschlägt, in jedem Weltwinkel Ungemach droht, genauso wie aus jeder politischen Richtung? Denn auch das ist eine der verstörenden Erkenntnisse, die 10/7 nochmals aktualisiert: Weite Teile der heutigen Linken, die von postkolonialen Diskursen geprägt sind, sind dermaßen ideologisch verbohrt, das nicht einmal die Abschlachtung jüdischer Kinder ihr radikal zweigeteiltes Weltbild erschüttert, in dem es keinen Platz für Graustufen gibt. Denn postkoloniale Theoretiker:innen predigen in der Regel eine „manichäische Teilung“ zwischen dem oppressiven Okzident hier und dem unterdrückten globalen Süden dort. Die Verfolgungsgeschichte der Juden und ihre nach wie vor leidvolle Gegenwart haben in dieser an der „Colourline“ vollzogenen Grenzziehung keinen Platz. Antisemitismus wird, wenn überhaupt, nur als eine Subform von Rassismus begriffen. Oder als eine Diskriminierung, die bloß während der Zeit des NS-Regimes bestand, und deren Opfer heute eben nicht mehr die „weißgewordenen“ Juden, sondern die „orientalisierten“ Araber seien. So sieht es etwa der Altvater des Postkolonialismus, der US-Amerikaner Edward Said. Israel gilt gegen die historischen Fakten als siedlerkolonialer und künstlicher Staat – als wäre nicht jeder Staat ein künstliches Gebilde. Auch das unzweideutig antisemitische Motiv vom „wurzellosen Bösen“, das die Volkskultur zersetzt, prägt viele postkoloniale Debatten, die wiederum sehr viele Hochschulen prägen. Die von überall her geflüchteten Juden– ob äthiopisch, aschkenasisch oder misrachisch – werden hier als „weiße“ Kolonialherren verteufelt. Dass in Folge des panarabischen Angriffskrieges auf das frisch gegründete Israel 1948 nicht nur 700.000 Palästinser:innen von Flucht und Vertreibung betroffen waren, sondern auch 900.000 Jüdinnen und Juden ihre arabischen Heimatländer verlassen mussten, wird im antizionistischen Diskurs nicht erwähnt. Auch dass Israel in erster Linie ein antikolonialer Flüchtlingsstaat ist, und mit kolonialer Ausbeutung wenig zu tun hat, wird in diesem ambiguitätsfeindlichen Denken unterschlagen. Dabei ist der Übergang von einer Lesart, die Israel als kapitalistisch-imperialistisches Kolonialprojekt verfemt hin zu einem Verschwörungsglauben, der hinter Imperialismus und Kapitalismus grundsätzlich „den Juden“ vermutet, in Theorie und Praxis durchaus fließend. In der Agitation sogenannter propalästinensischer Protescamps, die an zahlreichen Unis ins Kraut geschossen sind, gerinnt der Kampf gegen den bösen Zionismus oft zum Kampf für die Befreiung der Menschheit. Die zum Fetisch avancierten Palästinenser gelten hier als Avantgarde im Kampf für das Gute. Ein regionaler Konflikt zwischen Bevölkerungsgruppen bekommt eine heilsgeschichtliche Bedeutung. Auf den erhofften Sieg der Palästinenser gegen die israelische Besatzungsmacht wird der Wahnglaube einer Befreiung der Menschheit von einem vermeintlich global agierenden Zionismus projiziert. Der Weltverschwörungsmythos klingt hier unverhohlen an, erlösungsantisemitischer Wahn wird für jede und jeden offenbar. Zwar gibt es nicht zuletzt im deutschsprachigen Raum auch eine laute antisemitismuskritische Linke, die Judenhass in Theorie und Praxis bekämpft. Diese ist seit dem 7. Oktober nach jetzigem Stand nicht kleiner geworden. Doch leider auch nicht größer, wie es aktuell scheint. Analyse und Kritik des Antisemitismus sind nach wie vor kein wesentlicher Teil der dominierenden linken Theorieproduktion. Anstatt, dass 10/7 ein Fanal gewesen wäre, um das Weltbild der wirklichen Welt anzupassen, scheinen viele sogenannte progressive Geister sich noch tiefer in ihrem theoretischen Weltimitationsgewölbe zu verbunkern als bislang. Die kurze Offenbarung der moralischen Schwächen ihrer unterkomplexen Betrachtung der Welt hat eine narzisstische Kränkung befördert, die die Abwehr der Wirklichkeit noch intensiviert und den Wunsch erzeugt, sie wieder in die Theorie einzusperren, aus der sie am 7. 10. zu entkommen drohte. Paradoxerweise muss man dieser Tage konstatieren: Viele postkoloniale „Linke“ werden den Juden den 7. Oktober nicht vergeben können, so wie Deutsche oft den Juden die Shoah übelnehmen, die sie zu Nachfahren des Tätervolkes macht. Mithin gilt heute insgesamt abermals das, was der Schriftsteller und Holocaustüberlebende Jean Améry schon nach dem Sechs-Tage-Krieg feststellen musste: Das weite Teile der weltweiten Linken nicht bereit sind, mit Juden Empathie aufzubringen. So fühlen sich nicht zuletzt linksstehende Juden, wie die Soziologin Eva Illouz, seit dem 7. Oktober oft schmerzlich allein. Vielen von ihnen beginnt nun zu dämmern, dass die Revolution ihrer vermeintlichen Genossinnen nicht ihre ist, ja nicht sein kann, weil die Welt, die die heutige Linke sich wünscht, für Jüdinnen und Juden keine bessere ist, im Gegenteil, sie wäre noch schlimmer als diese. Man sollte indes niemals den Fehler begehen, auf der rechten Seite nach Hilfe zu suchen. Zwar gerieren sich rechtspopulistische Akteure aus taktischen Gründen manchmal israelfreundlich – vor allem, um ihrer hassgetränkten Agitation gegen Migranten mehr Nachdruck zu verleihen, ihren dumpfen Rassismus zu nobilitieren und Juden und Muslime gegeneinander auszuspielen. Gleichzeitig aber rezitieren sie konstant antisemitische Verschwörungsnarrative, etwa mit dem Mythos vom „großen Austausch“, der die Migranten aus muslimischen Ländern zu stumpfen Objekten eines heimlichen Plans von als jüdisch gelesenen Eliten erklärt. Antisemitismus ist das Tiefenfundament im ideologischen Gebäude (neu)rechter Akteure. Man darf sich keine Illusionen machen: Das Erstarken rechtspopulistischer Akteure, von der AfD und ihren Schwesterparteien, ist für Jüdinnen und Juden eine riesige Gefahr, genau wie für Muslime und andere Minderheiten. Judenhass ist letztlich ein Querfrontphänomen, er formt eine illustre Empörungsgemeinschaft. Scheinbar widersprüchliche Akteure finden sich im Hass auf „den Juden“ zusammen. So befürwortet die Nazi-Partei NPD, die sich inzwischen in „Die Heimat“ umbenannt hat, die sich progressiv wähnende Bewegung BDS, die zum Boycott gegen Israel aufruft. Postkolonial inspirierte Studierende, etwa an der Columbia University, verehren die Quassam-Brigaden der Hamas und preisen die Märtyrer der Mordbataillone. Radikale Islamisten und völkische Faschisten sind ohnehin vereint in ihrem Hass auf Frauen, Demokratie und „die Juden“ als „dunklem Prinzip der Moderne“. Antisemitismus kommt überall vor, rechts und links und in der Mitte der Gesellschaft, in der Schule, der Uni, im Verein, und im Büro, in der Kirche, der Moschee und im bourgeoisen Feuilleton. Die Ereignisse in Israel und in Palästina haben unserer vielfach zerklüfteten Gesellschaft eine weitere sichtbare Trennlinie beschert, die quer zu ihren übrigen Frakturen verläuft. Zwischen den Hardcore-Judenhassern und Tendenz-Antisemiten auf der einen, formt sich ein Lager auf der anderen Seite, das Antisemitismus als solchen benennt. Auch wenn die Kritik oft vergeblich zu sein scheint, kennt die Aufklärungsarbeit keine Alternative. Man muss sich also weiter um jene bemühen, die keine geschlossenen Weltbilder haben, auch wenn man hier Sisyphos-Arbeiten verrichtet. Auch sollte man sich trotz und wegen allem, was geschieht, trotz der furchtbaren Folgen des 7. Oktober für jüdische Menschen überall auf der Welt, und natürlich auch für zahlreiche Menschen in Gaza, für einen langfristigen Frieden engagieren, das heißt jene moderaten israelischen und palästinischen Kräfte, die noch immer an die Möglichkeit einer Koexistenz glauben, zum Dialog motivieren. Man darf sich vor dem Leid der Palästinenser nicht verschließen, muss aber auch verdeutlichen, dass dieses Leid nicht bloß Israel anzulasten ist, sondern vielfach auf die Kappe von Akteuren wie Hamas geht, die sich bei nicht wenigen Menschen der Region nach wie vor großer Beliebtheit erfreut – und das obwohl sie einen maßgeblichen Beitrag dazu leistet, dass ein Staat Palästina bislang nicht existiert. „Propalästinensisch“ müsste mithin bedeuten, zwar gegen die fundamentalistischen Teile der jüdischen Siedlerbewegung und die Regierung Netanjahu zu protestieren, doch auch gegen die Gräuel des politischen Islam. Wer „für Palästina“ und nicht bloß „gegen Israel“ ist, müsste der Hamas eine Kriegserklärung machen. Proisraelisch und propalästinensisch sind keineswegs antagonistisch zu verstehen, auch wenn das in der aktuellen Lage so erscheint. Ein Frieden ist möglich, wenn auch kompliziert. Eine ambiguitätstolerante Betrachtung ist die mentale Voraussetzung dafür. Einer redlichen Kritik an Politikformen Israels, die nicht von Antisemitismus geprägt ist, von Dämonisierung, Delegitimierung, Derealisierung und doppelten Standards, können auch Antisemitismuskritiker stets mit offenen Ohren begegnen. Dem tendenziell antisemitischen Geraune, das weite Teile des Diskurses zum Nahostkonflikt grundiert, manchmal ohne, dass die Leute verstehen, was sie sagen, gilt es indes lautstark entgegenzutreten.

Am 7. Oktober fand in der Citykirche in Aachen eine Gedenkveranstaltung statt unter dem Motto „Erinnern-Mahnen-Gedenken, verbunden mit einem Spendenaufruf für den von der Hamas geschändeten Kibbuz Nir Oz. Veranstalter waren die Deutsch-Israelische Gesellschaft Aachen e.V., die Jüdische Gemeinde Aachen, die Citykirche und das Gedenkbuchprojekt. Ungefähr 350 Menschen waren gekommen, um des Überfalls der Hamas zu gedenken und ein Zeichen der Solidarität zu setzen mit den jüdischen Menschen und dem Staat Israel. Die Vorsitzende, Elisabeth Paul, erinnerte daran, dass dieser bestialische Überfall im kollektiven Gedächtnis verankert werden müsse, damit Bekenntnisse, wie „nie wieder ist jetzt“ und „wehret den Anfängen“ nicht zu bloßen Slogans verkommen. Dem Antisemitismus müsse in all seinen Erscheinungsformen entgegnen getreten werden. Er dürfe nicht nur rechts verortet werden. Sie sehe dies als die große politische und gesellschaftliche Herausforderung. Dennoch dürfe man die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Geiseln befreit werden. Sie halte an der Vision eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Israelis und Palästinenser*innen weiterhin fest, obwohl der Weg dorthin weit sei. In ihrem Grußwort betonte Bürgermeisterin Hilde Scheidt die Notwendigkeit, unsere Demokratie gegen all ihre Feinde zu schützen. Die evangelische Pfarrerin Sylvia Engels verwies in ihrem äußerst engagierten Redebeitrag auf die Einzigartigkeit des Massakers und die antisemitische Botschaft, die sowohl in der Tradition mittelalterlicher antisemitischer Narrative, wie der Ritualmordlegende stehe, als auf in der Tradition des christlichen Antijudaismus. Christoph-David Piorkowski, freier Journalist und Autor machte einen furiosen Ritt durch allle Facetten des Antisemitismus, insbesondere die nach dem 7. Oktober brandaktuellen und gefährlichen Allianzen rechter, linker und islamistischer Aktivisten. Die Bedrohung jüdischen Lebens veranschaulichte er an Bespielen postkoloniales Aktivitäten an vielen Unis weltweit.

Am Freitag, den 07.06.2024, fand um 17:00 Uhr wieder unsere wöchentliche Mahnwache am Münsterplatz in Aachen statt. Dieses Mal haben musikalische Begleitung durch den Pianisten Luis Castellanos, aber es fand leider auch ein tätlicher Übergriff auf Teilnehmende der Mahnwachse statt. Dazu finden Sie unter diesem Text unsere Pressemitteilung zu diesem Thema. Organisiert wird die wöchentliche Mahnwache vom Jungen Forum Aachen und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen. JuFo bei #Instagram: https://www.instagram.com/jufo.aachen?igsh=amRkdnJzZzNpZWc1 Text, vorgetragen durch Elisabeth Paul auf der Mahnwache am 07.06.2024 Kein anderer Krieg in der Geschichte aller Kriege stand unter solch einer internationalen Beobachtung, keine andere Armee musste sich ihren schlimmsten Feinden gegenüber so höflich verhalten, keine andere Nation musste die Verbrecher ernähren, die ihre eigenen Leute ermordeten und entführten, kein anderer Soldat musste so nachsichtig mit den Menschen sein, die ihre Frauen vergewaltigten und ihre Kinder und Eltern bei lebendigem Leib verbrannten. Kein anderes Land wurde jemals mehr gehasst und in Frage gestellt, weil es sich verteidigte, kein anderes Volk, egal in welchem Land der Welt, wurde mehr schikaniert, beleidigt, bestraft, mit Sanktionen belegt, belogen, von Unterstützern des Online-Terrorismus entmenschlicht und täglich von Terroristen angegriffen und bombardiert. Kein anderes Land hatte mehr gegen sich selbst gerichtete UN-Resolutionen, kein anderes Land, das von Terroristen aller Art und aus allen Teilen seines Landes angegriffen wurde, wurde jemals als „Terrorstaat“ bezeichnet, wenn es seine Bürger verteidigte. Kein anderes militärisches Beweismaterial über terroristische Kriegsverbrechen wurde von der WHO und anderen offiziellen Stellen mehr ignoriert. Kein anderes wirklich besetztes Gebiet – wie Nordzypern von der Türkei oder die Krim von Russland … – hat jemals die Straßen oder Universitätsgelände mit solch absurdem und erbärmlichem „Aktivismus“ überflutet, für ein Land, das sich vor Oktober nie um sie gekümmert hat. Keine andere Frau, egal welcher Nation oder Religion, wurde mehr angezweifelt oder weniger unterstützt als die israelischen Frauen. Keine andere Geisel, egal aus welchem Terroranschlag, wurde von der öffentlichen Meinung mehr ignoriert, kein anderes BABY auf der Welt wurde 8 Monate lang entführt, während dieser Zeit weder UNICEF, noch ROTES KREUZ, noch AMNESTY … , niemand hat auch nur einmal darüber getwittert oder seine Gefangenschaft in Frage gestellt … Willkommen im Antisemitismus, der neuen Saison. Produziert vom Iran und radikalen Islamisten auf der ganzen Welt.

Am Freitag, den 31.05.2024, um 17:00 Uhr fand am Münsterplatz in Aachen unsere wöchentliche Mahnwache statt, gegen jeden Antisemitismus, für die Freilassung aller Geiseln und die Solidarität mit Israel. Wir hatten Luis Castellanos als musikalische Begleitung angekündigt. Der musste leider kurzfristig absagen und wird nun am 07.06.2024 dabei sein. Es gab aber wieder viele Interessierte und ein paar gute Reden. Folgt uns für weitere Infos zu Terminen und Neuigkeiten! JuFo bei Instagram: https://www.instagram.com/jufo.aachen?igsh=amRkdnJzZzNpZWc1 Rede von Maria Kehren von Omas gegen Rechts Aachen, vom 31.05.2024 Ein Tour-Guide in Auschwitz beendete die Führung durch das Vernichtungslager mit den Worten: „Ich möchte, dass Sie alle von hier weder Wut noch Hass mitnehmen, sondern dass Sie einfach freundlich zueinander sind, denn hier haben Sie gesehen, wohin der Hass führen kann.“ Mein Name ist Maria Kehren und ich bin eine OMA GEGEN RECHTS. Eins unserer Hauptanliegen ist auch der Kampf gegen Antisemitismus und ich freue mich, dass ich ein paar Worte an euch richten darf. Es geht bei dieser Mahnwache weder um den Krieg in Gaza noch um unschuldige getötete Zivilisten oder die Netanyahu Regierung. Es geht darum, dass jüdische Menschen weltweit wieder in Angst leben. Und das nur weil sie jüdisch sind. 2022 habe ich in Jerusalem einen Davidstern gekauft, den ich seitdem trage und der mir viel bedeutet. Kürzlich sprach ich mit einer jüdischen Frau darüber, warum ich diesen Stern trage. Sie sagte: „Sie sind nicht jüdisch, Sie können ihn tragen, ich aber bin jüdisch und kann ihn deshalb nicht tragen.“ Es hat mich sehr beschämt, dass der Antisemitismus in Deutschland wieder so erstarkt ist, dass Menschen ihre jüdische Identität in der Öffentlichkeit lieber verstecken. Vor einigen Monaten habe ich mir noch gewünscht, dass es eines Tages überflüssig sein wird, dass die Polizei Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland bewachen muss. „Dann ist es endlich so, wie es sein soll“ habe ich mir immer gesagt. Mittlerweile sind wir aber meilenweit davon entfernt. Doch was hat ein jüdischer Mensch in Berlin, Columbia oder Paris damit zu tun, was in Gaza passiert? Es gibt kein weiteres Volk auf der Welt, das permanent für Ereignisse quasi in Sippenhaft genommen wird. Israel ist ein fantastisches, weltoffenes, demokratisches Land - das einzige demokratische Land im Nahen Osten –umgeben von Feinden, von denen ihm viele die Vernichtung wünschen oder diese sogar als Staatsräson haben. Es war bis zum 7. Oktober 2023 der einzige (relativ) sichere Staat für Jüdinnen und Juden. In Israel leben Menschen jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens friedlich zusammen und haben die gleichen Rechte. Am Eingang eines Restaurants in Haifa steht ein Schild mit der Inschrift: „We Welcome all sizes, all colors, all ages, all sexes, all religions, all types, all beliefs, all people are safe here.“ DAS ist Israel! Antisemitismus aber ist geprägt von Hass. Orkun Sensebat hat bei der ersten Mahnwache vor vier Wochen von der Uhr im Iran gesprochen. Diese Uhr auf dem Palästinaplatz in Teheran läuft rückwärts und zählt die Tage, die Israel noch maximal bis zu seiner Vernichtung verbleiben. Die Vernichtung Israels ist in vielen islamistisch geprägten Gesellschaften ein wichtiges Element. Die Omas gegen Rechts setzen sich auch für geflüchtete Menschen ein und warnen davor, grundsätzlich alle muslimischen Menschen unter Generalverdacht zu stellen. Allerdings wünschen wir uns endlich eine ganz deutliche Stellungnahme der Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland, die sich von antisemitischen Kundgebungen distanziert. Antisemitismus ist nichts Neues. Es gibt ihn in unterschiedlichen Ausprägungen schon seit Jahrhunderten, doch heute glauben wir aus der Vergangenheit gelernt zu haben und überall heißt es: „Nie wieder“ und doch wir schauen wieder zu, schweigen oder empören uns vom Sofa aus in sozialen Netzwerken, wenn in Deutschland „Yalla Yalla Intifada“ oder „From The River to the Sea“ skandiert wird. Ja, es ist unbequem, aus der Komfortzone zu kommen. Doch es ist nötig, wenn wir tatsächlich aus der Vergangenheit gelernt haben wollen. Die größte Unterstützung für die Nationalsozialisten kam durch die schweigende Bevölkerung. Doch auch unser Schweigen ist nach wie vor viel zu laut und unser Schweigen wirkt als Katalysator für den Antisemitismus in Deutschland. Es beginnt bereits im privaten Umfeld, in der Familie, am Arbeitsplatz und bei Freunden und Bekannten. Wir gehen immer noch lieber einem eventuellen Konflikt aus dem Weg, anstatt Farbe zu bekennen. Dabei gibt es auch tatsächlich noch viele Menschen, die einige Dogwhistles oder gängige Synonyme gar nicht kennen. Tatsächlich wissen viele Menschen zum Beispiel nicht, dass der Spruch „Jedem das Seine“ über dem Tor von Buchenwald stand und sind sogar dankbar, wenn man sie darauf hinweist. Viele Synonyme oder Codes für Antisemitismus kennen noch lange nicht alle. Deshalb sollten wir auf jeden Fall immer etwas sagen! Ich möchte dazu aufrufen, JETZT alles zu tun, damit niemand seinen Kindern und Enkeln erklären muss, wie es „so weit“ kommen konnte. Geht zu Gedenkveranstaltungen! Unterstützt interreligiöse Projekte, klärt über antisemitische Begriffe und Verschwörungserzählungen auf! Organisiert euch und geht zu Gegenprotesten der israelfeindlichen Demos. In Berlin stand eine Frau ganz alleine als Gegenprotest mit einem Schild, auf dem „Vergewaltigung ist kein Widerstand“ stand. Sie musste von etlichen Polizisten geschützt werden. Wie viel einfacher wäre es, wenn sie durch viele Menschen unterstützt würde? Ich freue mich sehr, dass seit vier Wochen diese Mahnwache stattfindet und dass ihr hier seid – bei jedem Wetter. Trotzdem frage ich mich, wo die vielen anderen Menschen sind, die „nie wieder“ skandieren? Ich wünsche mir, dass diese Mahnwache jede Woche größer wird und ganz deutlich zeigt: „wir sind mehr“. Ich möchte mit einem Zitat aus dem Buch von Rachel Hanan schließen. Sie hat Auschwitz überlebt und sie sagt: „Hasst nicht und schweigt nicht!“ Vielen Dank und Am Israel Chai!

Am Freitag, den 17. Mai fand unsere 2. Mahnwache auf dem Münsterplatz statt. Trotz heftigen Regens, kamen ca. 40 bis 50 Menschen, um der Geiselopfer zu gedenken, die nun seit mehr als sieben Monaten unter unvorstellbaren Bedingungen in unterirdischen Gängen von der Hamas gefangen gehalten werden. Kinder, Männer, Frauen. Niemand weiß, ob sie noch leben. Ute Haupts von der UWG merkte in ihrem nachdenklichen Redebeitrag ihren Wunsch nach einem Leitfaden oder Kompass an, um sich in der schwierigen Lage orientieren zu können. Tim Herkens von der FDP thematisierte den grassierenden Antisemitismus, insbesondere die Angriffe auf die israelische Teilnehmerin auf dem ESC, sowie die aggressiven Camps an vielen Hochschulen, die sich als palästinasolidarisch darstellen, aber Israel- und Judenhass predigen. In weiteren, auch kritischen Redebeiträgen wurde die Politik Netanjahus kritisiert und die Frage nach der Angemessenheit der militärischen Operationen gestellt. Die nächste Mahnwache findet am kommenden Freitag, den 24.5.2024 um 17 Uhr auf dem Münsterplatz statt. Der für die letzte Mahnwache vorgesehene musikalische Beitrag des Pianisten Luis Castellanos wird bei der übernächsten Mahnwache, am Freitag, den 31.5.2024 stattfinden.

Am Freitag, den 10. Mai um 17 Uhr fand die erste gemeinsame Mahnwache der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen e.V. und des Jungen Forums“ der DIG Aachen auf dem Münsterplatz am Aachener Dom statt. Zwischen 50 und 70 Menschen nahmen teil (Vertreter*innen von im Rat vertretenen demokratischen Parteien, Passant*innen, die zufällig vorbeikamen, Mitglieder der DIG Aachen und des JuFo der DIG Aachen). Elisabeth Paul, die 1. Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen e.V. sprach einige einleitende Worte, in denen sie darauf hinwies, dass mit dieser nun wöchentlich stattfindenden Mahnwache drei Ziele verfolgt werden: 1. das Gedenken an die immer noch in Geiselhaft befindlichen Geiseln, 2. ein starkes Statement gegen jede Form des Antisemitismus, 3. und ein Zeichen der Solidarität mit dem jüdischen Staat Israel, ausdrücklich nicht mit der derzeitigen Regierung. Nach einer Rede vom Vorsitzenden des neu gegründeten „Jungen Forums“ der DIG Aachen e.V. Felix Kehren, sprachen die Bürgermeisterin der Stadt Aachen, Hilde Scheidt. Anschließen sprachen Orkun Şensebat (Vorsitzender des Ortsvorstandes der Grünen in Aachen), Sebastian Becker (Ratsherr der SPD Fraktion im Aachener Stadtrat) und weiteren Vertreter*innen der Aachener Kommunalpolitik. Nach dem offiziellen Teil kam es zu angeregten Gesprächen. Es war ein starkes Zeichen! In den kommenden Tagen werden wir hier die Reden veröffentlichen.

Vielen Dank an alle, die am 16.03.2024 in der Citykirche in Aachen beim Benefiz Konzert für den Kibbuz Nir Oz waren. Insgesamt waren mehr als 100 Gäste dort und an dem Abend sind 1.300€ an Spenden zusammengekommen. Zusätzlich sind bisher 400€ auf dem Spendenkonto eingegangen. Zum Einstieg wurde die Ha Tikwa vorgetragen durch den kolumbianischen Pianisten Luis A. Castellanos, 1. Preisträger des Chopin-Wettbewerbs in Kolumbien, und dem Sänger Liam Hen. Nach der feierlichen Begrüßung durch Elisabeth Paul, 1. Vorsitzende der DIG Aachen, und dem Grußwort von Hilde Scheidt, Bürgermeisterin der Stadt Aachen, zeigte Petra Hemming Bilder aus dem Kibbuz Nir Oz, vor und nach der Zerstörung durch die Hamas. Sie war in der Woche vor dem Konzert im Kibbuz Nir Oz und hat sich vor Ort ein Bild machen können. Am Tag vor dem Konzert kehrte sie aus Israel zurück, um von ihren Eindrücken berichten zu können. Dann folgte das großartige Konzert von Luis A. Castellanos und Liam Hen. Anschließend berichtete Petra Hemming von ihren Besuchen im Kibbuz Nir Oz. Sie berichtete, dass bei dem terroristischen Angriff viele Einwohner von Nir Oz in ihren Häusern ermordet wurden, Häuser zerstört und niedergebrannt wurden und Zivilist:innen nach Gaza entführt wurden. Petra Hemming setzt sich seit langem für ein faires Israelbild, jüdisches Leben in Deutschland und gegen Antisemitismus ein. Sie hat einige Zeit in Israel gelebt und bereist das Land seit über 45 Jahren. Unmittelbar nach dem mörderischen Angriff der Hamas auf den Süden Israels hat sie mit anderen Mitstreiter*innen einen Solidaritätspartnerschaftsverein gegründet, der die Menschen im Kibbuz Nir Oz unterstützt. Der Vorstand des Vereins Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e.V. steht im ständigen Kontakt mit seinen Freunden aus Nir Oz und generiert im engen Austausch Hilfsprojekte. Der Verein möchte seinen Beitrag leisten, dass Nir Oz wieder aufgebaut wird. Wer den Verein beim Wiederaufbau des Kibbuz unterstützen möchte, kann das durch Spenden für den Aufbau des Gartens in Kiyat Gat, Manpower beim Anlegen des Gartens, Unterstützung im Verein und bei der Pflege der langjährigen Partnerschaft. Spenden für den Wiederaufbau des Kibbuz Nir Oz können Sie auf das folgende Konto überweisen: Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach - Nir Oz e.V. IBAN: DE 50 3706 2600 4048 2270 10 BIC: GENODED1PAF VR Bank eG Bergisch Gladbach