Berichte

28. Januar 2025
Morgen vor 80 Jahren wurde das KZ Auschwitz von den Alliierten befreit. Auschwitz ist das Symbol für den Holocaust, für Menschenverachtung, für Entmenschlichung, für einen kaltblütigen, industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden, für einen einzigartigen Zivilisationsbruch in der Geschichte, der mit nichts vergleichbar ist. Und dieser Zivilisationsbruch hatte eine Vorgeschichte: sie begann mit Ausgrenzung, mit Markierung von Menschen, mit bösen Geschichten über diese Menschen, mit Entmenschlichung und Verfolgung, mit dem Boykott jüdischer Einrichtungen und endete schließlich in der massenhaften industriell organisierten Vernichtung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden, mit der Vernichtung von 5 600 Sinti und Roma, mit der Vernichtung sogenannter Asozialer, Zeugen Jehovas, Homosexueller, Kommunist*innen, Behinderter, kurz, aller Andersdenkenden, und derer, die nicht in das perverse, menschenverachtende völkische Konzept passten. Und diese Ideologie war festgeschrieben in Hitlers „Mein Kampf“, in dem er seine völkischen und menschenverachtenden Hasstiraden auf die Juden ausführte. Und die Geschichte zeigt, dass aus dieser Ideologie konkrete Politik wurde, grausame Realität, wie wir alle wissen. Und es brauchte ganze 52 Tage, um aus einer Republik eine Diktatur zu machen So etwas darf NIE WIEDER geschehen, und deshalb sind wir alle heute hier! „Nie wieder ist jetzt“ „Wehret den Anfängen“ Das sind Slogans, die nicht sinnentleert werden dürfen Von Primo Levi, einem jüdischen Schriftsteller und Holocaustüberlebenden, stammt der Satz: “Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Und wir müssen uns fragen: kann so etwas wirklich nie wieder geschehen? wird so etwas nie wieder geschehen, Haben wir der Anfänge gewährt oder sind wir schon wieder mittendrin Haben wir zu sehr geschwiegen? Haben wir zu viel zu- oder weggeschaut? Haben wir zu wenig entgegengesetzt? Wenn Jüdinnen und Juden sich nicht mehr trauen, eine Kippa oder einen Davidstern zu tragen Wenn es gefährlich ist, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen Wenn Jüdinnen und Juden für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden Wenn jüdische Einrichtungen angegriffen werden oder als jüdisch markiert werden Wenn jüdische Einrichtungen, SchriftstellerInnen oder Künstler*innen boykottiert werden Wenn Unis zu Angsträumen für jüdische Studierende werden Kurz: wenn Jüdinnen und Juden zu Parias erklärt werden und ihnen jegliche Empathie verweigert wird Der Holocaust, die Shoah ist präzedenzlos und mit nichts vergleichbar! Und dennoch stellt sich die Frage nach Kontinuitätssträngen, die der Shoah zu Grunde lagen und die auch heute noch virulent sind. So schreibt Esther Schapira, eine jüdische Journalistin und Filmemacherin in der jüngsten Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen: „Bislang war die Schoa die biografische und historische Wegmarkierung aller Nachgeborenen. Sie teilte unser Leben in ein „Davor“ und „Danach“. Nun kommt eine weitere hinzu. „Das schlimmste Massaker seit der Schoa“ ………… Bei aller Singularität der Schoa gibt es Assoziationen, die nicht mehr verschwinden werden: Der Blick in den Abgrund der Grausamkeit. Der Stolz der Mörder auf ihre Tat. Der Hass, der alle Juden trifft. Der Kampf ums Weiterleben und die Rückkehr ins Weiterleben nach dem Überleben.“ Seit dem 7. Oktober, dem bestialischen Massaker der Hamas, gibt es weltweit einen nie da gewesenen, offenen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen. Teile der Linken verbünden sich mit islamistischen Kräften Rechtsradikale generieren sich vordergründig als Schützer*innen jüdischen Lebens, was nur als Spaltungsversuch verstanden werden kann und in klarem Widerspruch steht zu Der Forderung nach einer erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende oder der Bezeichnung der Shoah als Fliegenschiss und das Holocaustmahnmahl als Denkmal der Schande. Der Bezeichnung der NS-Zeit als einen Vogelschiss in der Geschichte Die Verwendung antisemitischer Chiffren, wie den Globalisten hat Hochkonjunktur in unterschiedlichsten Milieus. Und die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien zeigen, dass diese Ideologie in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist Als DIG sehen wir es als unsere historische Verantwortung, uns solidarisch an die Seite Israels, den einzigen jüdischen Staat weltweit zu stellen, den Staat der Holocaustüberlebenden und deren Nachkommen und zwar unabhängig von der jeweiligen Regierung. Die zionistische Idee eines jüdischen Staates als Heimstätte aller Jüdinnen und Juden, sozusagen als Lebensversicherung, ist Folge jahrtausendalter Verfolgung weltweit und wurde durch den Holocaust beschleunigt. Heute erscheint die Idee eines solchen Staates notwendiger denn je und dennoch ist seine Existenz so gefährdet, wie noch nie seit seinem Bestehen. Heute begehen wir das Gedenken an den Holocaust und sind bereit, unsere Lehren und unsere Verantwortung daraus zu ziehen. Wir treten gegen Rassismus und jede Form des Antisemitismus auf, gleich ob sie von rechts, von links, aus religiösen Kontexten oder aus der Mitte der Gesellschaft kommt. DAFÜR STEHEN WIR HEUTE HIER, GEMEINSAM MIT VIELEN MENSCHEN IN GANZ DEUTSCHLAND! NIE WIEDER IST JETZT!
22. Januar 2025
Am Donnerstag, den 16.1. wurde im Apollo-Kino der Film „September 5“ in Kooperation mit der DIG Aachen e.V. im Rahmen des Formats „Kino im Dialog“ gezeigt. 50 bis 60 Anwesende folgten der anschließenden einstündigen Diskussion, die von Richard Gebhardt, politischer Bildner und Publizist und Jonas Paul, Politologe und Mitglied unseres Vorstands moderiert wurde. Bei dem einleitenden kurzen Dialog zwischen den Moderatoren wurden Aspekte der ethischen Verantwortung von Medien, der Wirkmacht von Bildern und deren Entwicklung seit den 1970er Jahren bis heute vertieft. Außerdem wurden die Bezüge der Terroristen des „schwarzen Septembers“ zu RAF-Terroristen und zu Rechtsradikalen, wie der Wehrsportgruppe Hoffmann thematisiert, die zeigen, wie damals wie heute Antisemitismus als Klammer zwischen allen Milieus von rechts über die Mitte bis links virulent sind. Bei der anschließenden sehr konstruktiven Diskussion kamen vor allem persönliche Bezüge und Erinnerungen zur Sprache, die teilweise sehr emotional waren und Betroffenheiten zum Ausdruck brachten.
14. Dezember 2024
Am Montag, den 4. November wurde die Ausstellung: „GESICHTER UND SCHICKSALE. JÜDISCHE AACHENERINNEN UND AACHENER – VERFOLGT UND ERMORDET“ in der Citykirche mit einer Vernissage eröffnet. Die Ausstellung war bis zum 18.11.2024 zu sehen.
5. November 2024
Dieser Essay basiert auf der Rede, die Christoph David Piorkowski auf der Gedenkveranstaltung der DIG Aachen anlässlich des ersten Jahrestages des 7. Oktober gehalten hat. Die Antisemiten werden den Juden den 7. Oktober nicht verzeihen Mit dem 7. Oktober 2023 ist für Juden und antisemitismuskritische Menschen ein neues Zeitalter angebrochen. Das geistige Virus des Judenhasses hat eine neue Mutationsstufe erreicht. Ein Essay. Von Christoph David Piorkowski Mit dem genozidalen Massaker der Hamas – einem Ereignis, das bis heute keinen Begriff gefunden hat, der die Spezifik dieses grausamen Verbrechens adäquat zu bezeichnen vermöchte – mit dem 7. Oktober 2023 also sind Jüdinnen und Juden überall auf dem Globus in einer veränderten Welt aufgewacht. Natürlich hat sich das Ressentiment auch vor diesem Tag allenthalten geäußert – insofern ist 10/7 keine bloße Zäsur. Und doch, so scheint es vielen Betroffenen, ist in der Folge etwas anders geworden, Antisemitismus als Virus des Geistes hat eine neue Mutationsstufe erreicht; für den Großteil der Menschheit war der 7. Oktober spätestens am 8. Oktober vorüber, für Juden und mit Juden solidarische Personen hat der 7. Oktober an jenem Tag begonnen – seither ist jeden Tag 7. Oktober. Die Selbst-Gerechten unter den Völkern blieben keine 24 Stunden lang stumm. Die Leichen des antisemitischen Massakers, das die Hamas in Israel verübt hat, waren noch nicht einmal sämtlich geborgen, da startete in zahllosen Ländern der Welt schon die schuldprojektive Empörungsmaschine. Angesichts der antizipierten Vergeltung, die Israel in Gaza wohl ausüben würde, fantasierten die notorischen Israelhasser schon von einem Genozid an Palästinensern, noch bevor die IDF ihren Marschbefehl erhielt. Selbst durch Massenvergewaltigung und Folterung von Frauen oder das Töten von Kindern im Beisein ihrer Eltern wurde das binäre Wahrnehmungsmuster, in dem die Israelis als bösartige Täter und die Palästinenser bloß als Opfer erscheinen, vielen Menschen nicht als das offenbar, was es ist: Das Produkt eines antisemitischen Wahns, einer Ideologie, in welcher „die Juden“ auf alle Zeit die Rolle des Bösen bekleiden. Das antijüdische Ressentiment folgt keiner einfachen Abwertungsformel, ist anders gelagert als klassischer Rassismus. Antisemitismus definiert seine Objekte als schwach und übermächtig zugleich. Die Juden werden zwar als Schädlinge gedeutet, doch auch als heimliche Herrscher der Welt. So ist Antisemitismus kein bloßes Vorurteil, sondern eine Ideologie mit Allerklärungsanspruch, die ein gesundes und grundgutes Volk mit einer krankhaften und bösen Elite kontrastiert – oder auch die reinen Indigenen Palästinas mit den angeblich „raumfremden“ Kolonisatoren. Wo rassistische Projektionen ihre Objekte vornehmlich abwerten, gilt „der Jude“ als nachgerade teuflischer Frevler, als Urgrund und Prinzip alles Bösen auf der Welt, als ein Zerstörer der natürlichen Ordnung, und nicht zu akzeptierende Form der Existenz. Seit dem Holocaust zeigt sich Antisemitismus indes häufig in einer sich selbst verleugnenden und mithin oberflächlich camouflierten Form. Seine aktuell häufigste Artikulation findet er in sogenannter „Israelkritik“, in der klassisch antisemitische Motive wie Kindermord, Rachsucht, Medienkontrolle, Zersetzung, Täuschung und heimliche Machenschaften häufig eins zu eins aufzufinden sind – wie etwa die umfangreichen empirischen Studien der Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel illustrieren. So lässt sich das Ressentiment artikulieren, ohne „die Juden“ beim Namen zu nennen. Im „Palli-Washing“ des Antisemitismus zeigt sich die Umweg-Kommunikation des postnazistischen Antisemitismus, der sich als moralische Haltung verkauft. Léon Poliakov erklärte zu Recht, Israel sei heute der „kollektive Jude“, ja gleichsam der „Jude unter den Staaten.“ Dabei wird Judenhass immer zu Notwehr erklärt, ist geprägt durch die Umkehr von Täter und Opfer – wie einst Adorno und Horkheimer schrieben, werden die Juden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt. Dieses Muster des völkischen Antisemitismus lässt sich auch auf den von Islamisten übertragen, welche sich als Schüler der Nazis offenbaren, die sich anschickten, Teile der arabischen Welt in den 1930er und 40er Jahren verschwörungsantisemitisch zu verhetzen – wodurch der Antisemitismus auch zur maßgeblichen Ursache (und nicht bloß zur Wirkung) des Nahostkonflikts wurde. Der Wille zur Vernichtung des „Zersetzers der Ordnung“ und personifizierten Prinzips der Moderne, des Sündenbocks für alle Verwerfungen der Welt wird den Objekten dieses uralten Hasses in pathisch-projektiver Weise unterstellt. So scheint es legitim eben diese zu vernichten. Wenn sie sich dann wehren, und sei es mit Krieg, fühlt sich der antisemitische Geist in seiner krankhaften Wahrnehmung bestätigt, dass die Juden die eigentlichen Völkermörder seien. Dabei steht dieser hyperbolisierende Vorwurf bereits seit etlichen Jahren im Raum, dafür braucht es den aktuellen Gaza-Krieg nicht, der zwar auf rücksichtslose Weise geführt wird, doch sicher keine Absicht zur Vernichtung impliziert. Das Narrativ ist gefeit gegen jede Empirie. Der Hasser schnappt nach jedem empirischen Krümel, der ihn in seiner wahnhaften Weltsicht bestätigt, doch käme er auch ohne Erfahrungssplitter aus. Im Maschinenraum des Geistes werden im Akkord die gleichen projektiven Bilder produziert, die fremde Erfahrung mit Bekanntem ummantelt, bis sie sich in letzterem aufgelöst hat. Statt einer mimetischen Annäherung der Wahrnehmung an die Wirklichkeit, wird eine Identifikation des Wirklichen mit der – ob der Macht des antisemitischen Ressentiments – vor jeder Erfahrung installierten Wahrnehmungsapparatur vollzogen. Oder wie Jean-Paul Sartre formulierte: Nicht die Erfahrung schafft das Bild vom Juden, sondern das Vorurteil fälscht die Erfahrung. Dabei können es Antisemiten nicht ertragen, Jüdinnen und Juden als Opfer zu erleben. So erklärt sich der gleichsam pathologische Reflex, die Shoah und nun auch den 7. Oktober zu verleugnen oder zu bagatellisieren – das Pogrom gar als Akt der Befreiung zu feiern. Man muss sich das klarmachen: Die Hamas hat ihre Grausamkeit dokumentiert, sie hat die Bilder ihres Menschheitsverbrechens als Fortsetzung dieses Verbrechens benutzt, die Videos der Gräuel als Waffen verwendet, um das jüdische Trauma-Gedächtnis zu treffen. Die Botschaft des Terrors war unmissverständlich: „Ihr seid auf alle Zeit von Vernichtung bedroht. In eurer vermeintlichen Schutzstätte genauso, wie an jedem anderen Ort auf der Welt“. Nicht von ungefähr haben die Hamas-Terroristen eine Woche nach dem 7. Oktober den sogenannten „Tag des Zorns“ ausgerufen und Jüdinnen und Juden zu Freiwild erklärt. Dann aber passierte folgendes: Trotz oder vielmehr wegen der öffentlichen Verlautbarung ihrer genozidalen Absichten, hat die islamistische Mörderbande ihre Bildpolitik bald radikal geändert. Nun postete man nicht mehr die Fotos von gefolterten Frauen, denen man eine Kugel in den Intimbereich geschossen hatte, sondern jene von totgebombten Kindern in Gaza. Die Hamas und ihre antisemitische Schutzmacht, das klerikal-faschistische Mullah-Regime, scheinen sich mit Blick auf die jüdischem Leben gegenüber völlig empathielose Reaktionsweise weitester Teile der Weltöffentlichkeit – die sich höchstens kurz an den Hamas-Gräuel störte und anschließend den Judenstaat dämonisierte – von Anfang an sicher gewesen zu sein. Man konnte sich das öffentliche Massaker leisten, und wusste, dass man schließlich doch als Opfer gelten würde. Bald wurde von den großen Medienhäusern der Welt, von New York Times, CNN, BBC und vielen anderen fast ausschließlich über das Leiden der palästinensischen Bevölkerung berichtet, während der 7. Oktober und die israelischen Geiseln allerhöchstens noch als Fußnote vorkamen. Die für den Antisemitismus maßgebliche Umkehr von Täter und Opfer, von Ursache und Wirkung findet sich nicht zuletzt in den Nahost-Diskursen der seriösen bürgerlichen Mitte der Gesellschaft – auch dieser Tage wird das allenthalben offenbar. Das Gros der Rezeption auch westlicher Medien des Krieges zwischen Israel und Hisbollah, stempelt den jüdischen Staat zum Aggressor, der den Konflikt nun grausam eskaliere. Dass die vernichtungsantisemitische Hisbollah – ein Export der islamischen Revolution – vor allem deshalb ins Leben gerufen wurde, um als Proxy der Mullahs gegen Israel zu kämpfen, und die radikal-islamistische Miliz aus dem Libanon fast jeden Tag Raketen abfeuert, scheint für viele Menschen dabei kaum von Belang. So wie im Nahost-Diskurs selten erwähnt wird, dass die Nakba – die Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 Palästinensern – sich in Reaktion auf den Angriffskrieg vollzog, den ein breites Bündnis aus arabischen Staaten gleich nach der Staatsgründung Israels vom Zaun brach. Als wäre es die jüdische Seite gewesen, die den Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 abgelehnt hätte – der Jischuv war es, der die Zwei-Staaten-Lösung wollte, die arabische Seite aber lehnte sie ab, man wollte keine jüdische Präsenz in Palästina. Und viele wollen diese bis heute nicht dulden: So stimmen nach neueren Umfragen zum Beispiel 77,7 Prozent der Menschen im Westjordanland und 70,4 Prozent der Menschen in Gaza einer rein palästinensischen Einstaatenlösung zu, also einer, die auch einen solchen Staat ablehnt, in dem beide Völker zusammenleben würden. „From the river to the sea“ meint Vertreibung und Vernichtung. Die jüdisch-israelische Sicht auf die Dinge, die Notwendigkeit, das Überleben zu sichern, der Umstand, dass der einzige jüdische Staat mit der Größe des deutschen Bundeslands Hessen seit seiner Gründung von Vernichtung bedroht ist und es sich nicht leisten kann, Kriege zu verlieren – all das spielt in vielen Berichten keine Rolle. Um hier nicht missverstanden zu werden: Das Leiden der Menschen in Gaza ist furchtbar, jedes tote Kind ist eines zu viel, und auf jeden Fall muss man vieles an der israelischen Kriegsführung, an der Regierung Netanjahu und auch an der Gewalt rechtsreligiöser Siedler im Westjordanland kritisieren. Doch die Antisemiten von rechts und links, aus der Mitte und aus dem islamistischen Lager interessieren sich nicht für die Kinder in Gaza, die die Hamas als Schutzschild missbraucht. Sie sind bloß ein nützliches Mittel zum Zweck, um Hass mit Humanität zu ummanteln und den Antisemitismus als ehrbar auszugeben. Beinahe obsessiv haben Organe der UN, weite Teile der weltweiten Presse, Kunstszenen sowie akademische Milieus auf Israels Einmarsch in Gaza gestarrt. Keine andere Gewalt auf der Welt produziert eine so intensive Empörung. „No Jews, no News“ ist der implizite Leitfaden antisemitischer Affektökonomie. Israelbezogener Antisemitismus grassiert auch ohne das Leiden in Gaza. Er stellt sich an diesem lediglich scharf, um sich dann hemmungslos auszuagieren. So waren die Bomben ein beruhigender Balsam für irritierte antisemitische Seelen. Die kognitiven Dissonanzen, die die Nachricht von enthaupteten Babys womöglich bei manchen notorischen Israelhassern bewirkt hatte, waren augenblicklich aufgelöst. Endlich schien die empirische Welt wieder komplett mit der ideologischen Betrachtung versöhnt. Gut war wieder gut, und Böse wieder böse. Welche Wirkungen haben die Attacke der Hamas, und die israelische Antwort darauf, in Gesellschaften rund um den Globus entfaltet? 10/7 hat die traurige Erkenntnis bestätigt, dass selbst ein eliminatorischer Antisemitismus, vor dessen Grausamkeit die menschliche Sprache versagt, weiteren Antisemitismus erzeugt, anstatt dessen Kritik durch die Mehrheitsgesellschaft. Der antisemitische Vernichtungsexzess, den die Hamas in aller Offenheit vollführt hat, und der ihre bereits in der Gründungscharta freimütig publizierte Absicht widerspiegelt, hat bei den allermeisten Menschen auf dem Globus gerade nicht dazu geführt, sich gegen Judenhass zu stellen. Stattdessen verzeichnen etwa jüdische Museen seit dem 7. Oktober einen Rückgang der Besucher. Stattdessen vernimmt man ein dröhnendes Schweigen, auch von Menschen, die man eigentlich als Freunde vermeinte. Stattdessen bricht das schwelende Ressentiment in den verschiedensten Segmenten der Gesellschaft nun immer aggressiver und unverhohlener auf. Der Judenhass des Einen führt zum Judenhass des Nächsten, die Mauern der postnazionalsozialistischen Tabuzone offener Feindschaft gegen Juden waren immer schon wacklig und stürzen jetzt ein. Das Klima ist schon vor 10/7 rauer geworden: Laut einer Studie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) haben 80 Prozent der europäischen Juden in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg antijüdischen Hasses erlebt. Alle diesbezüglichen Erhebungen zeigen, dass sich die Lage nun noch einmal verschärft. Wir erleben in Europa und den USA eine Flutwelle antisemitischer Gewalt, wie seit 1945 nicht mehr. Von Judenhass getragene Großdemonstrationen in Städten wie London, Paris oder Berlin, wo „antiimperialistische“ Linke mit Islamisten im Gleichschritt marschieren, während die postkolonial geprägte Academia der selbstgerechten Rage der Straße sekundiert. Gewalt gegen jüdische Einrichtungen, Schändungen von Orten des Holocaustgedenkens. Bedrohungen von und Angriffe auf jüdische Studenten und jüdische Schüler, sowie Journalisten und Politikerinnen, die sich gegen Judenhass positionieren. Markierungen von Häusern, die von Juden bewohnt werden, Brandanschläge auf Synagogen und antisemitismuskritische Einrichtungen, Mobbing und entgrenzte Hasspropaganda auf Tik Tok, Instagram, Youtube und X. Aktuell wird eine ganze Generation auf Tik Tok und Co. in den Kaninchenbau antisemitischer Verschwörungsmythen hineingetrieben. Insbesondere jüngere Menschen, so zeigen es Umfragen aus den USA, neigen dazu, Israel zu dämonisieren. Was wir leider wenig bis gar nicht erleben, sind große Solidaritätsdemonstrationen, auf denen nichtjüdische Menschen den Terror der Hamas und den Terror von Antisemiten in Europa als solchen benennen und dagegen aufbegehren. Stattdessen zieht überall der Mob durch die Straßen, judenfeindliche Symbole und Parolen sind im öffentlichen Raum oft normalisiert, nicht zuletzt an zahlreichen Universitäten, die die Elite von morgen hervorbringen. Juden, die in der Diaspora leben, müssen tagtäglich mit Gewalt kalkulieren, wenn sie es wagen, sich als Juden zu zeigen. In der U-Bahn in Berlin eine Kippa zu tragen, in Wien auf der Straße Hebräisch zu sprechen – eigentlich selbstverständliche Handlungen werden sich wohl manche lieber zweimal überlegen. Öffentliches jüdisches Leben in Europa muss sich notgedrungen hinter Panzerglas ereignen. Wie unfassbar traurig und beschämend das ist. Doch bei sehr vielen Menschen in der Gesellschaft ruft der Antisemitismus nicht mal ein Achselzucken hervor. Und während Juden in Europa auf gepackten Koffern sitzen, weil sie nicht wissen, wie lange sie den Hass noch ertragen können, sind manche „Experten“ primär darum bemüht, das Phänomen Antisemitismus zu verrätseln und definitorisch in der Schwebe zu halten. So scheinen viele Akademiker, nicht zuletzt in Deutschland, mehr um die Freiheit zur Hassrede besorgt, als um die Freiheit von jüdischen Studierenden, die aus Furcht vor dem selbstgerechten Mob, der die Campus von Universitäten bevölkert, die Uni meiden, sich exmatrikulieren, einfach nur noch wegwollen, aber wohin? Als skandalös wird oft weniger der Antisemitismus als vielmehr dessen Skandalisierung empfunden. Wie oft in der Geschichte wird Gewalt gegen Juden in den Vorwurf des Antisemitismus projiziert, als „Angriff auf die Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit“. Als wäre nicht der dämonisierende Boycott israelischer Künstlerinnen und Forscher das Problem, sondern der in Unis und Kulturinstitutionen nach wie vor seltene Boycott der Boykotteure. Viele scheinen den Antisemitismusvorwurf jedenfalls schlimmer zu finden als den Antisemitismus selbst. Was das Entsetzen vieler Juden über die Gewalt des 7. Oktober und die antisemitischen Ausschreitungen auf dem Planteten verstärkt, sind der Umstand mangelnder Solidarität, das laute Schweigen und die Gleichgültigkeit weitester Teile der Mehrheitsgesellschaft. Für Jüdinnen und Juden bedeutet 10/7 eine langfristig doppelte Verunsicherung: Sowohl das Leben in sämtlichen Ländern der Diaspora, als auch jenes im vermeintlichen Nothafen Israel ist seit dem 7. 10. gefährlicher geworden. Wo soll man noch hin, lautet die drängende Frage, wenn das Ressentiment in Gewalt umschlägt, in jedem Weltwinkel Ungemach droht, genauso wie aus jeder politischen Richtung? Denn auch das ist eine der verstörenden Erkenntnisse, die 10/7 nochmals aktualisiert: Weite Teile der heutigen Linken, die von postkolonialen Diskursen geprägt sind, sind dermaßen ideologisch verbohrt, das nicht einmal die Abschlachtung jüdischer Kinder ihr radikal zweigeteiltes Weltbild erschüttert, in dem es keinen Platz für Graustufen gibt. Denn postkoloniale Theoretiker:innen predigen in der Regel eine „manichäische Teilung“ zwischen dem oppressiven Okzident hier und dem unterdrückten globalen Süden dort. Die Verfolgungsgeschichte der Juden und ihre nach wie vor leidvolle Gegenwart haben in dieser an der „Colourline“ vollzogenen Grenzziehung keinen Platz. Antisemitismus wird, wenn überhaupt, nur als eine Subform von Rassismus begriffen. Oder als eine Diskriminierung, die bloß während der Zeit des NS-Regimes bestand, und deren Opfer heute eben nicht mehr die „weißgewordenen“ Juden, sondern die „orientalisierten“ Araber seien. So sieht es etwa der Altvater des Postkolonialismus, der US-Amerikaner Edward Said. Israel gilt gegen die historischen Fakten als siedlerkolonialer und künstlicher Staat – als wäre nicht jeder Staat ein künstliches Gebilde. Auch das unzweideutig antisemitische Motiv vom „wurzellosen Bösen“, das die Volkskultur zersetzt, prägt viele postkoloniale Debatten, die wiederum sehr viele Hochschulen prägen. Die von überall her geflüchteten Juden– ob äthiopisch, aschkenasisch oder misrachisch – werden hier als „weiße“ Kolonialherren verteufelt. Dass in Folge des panarabischen Angriffskrieges auf das frisch gegründete Israel 1948 nicht nur 700.000 Palästinser:innen von Flucht und Vertreibung betroffen waren, sondern auch 900.000 Jüdinnen und Juden ihre arabischen Heimatländer verlassen mussten, wird im antizionistischen Diskurs nicht erwähnt. Auch dass Israel in erster Linie ein antikolonialer Flüchtlingsstaat ist, und mit kolonialer Ausbeutung wenig zu tun hat, wird in diesem ambiguitätsfeindlichen Denken unterschlagen. Dabei ist der Übergang von einer Lesart, die Israel als kapitalistisch-imperialistisches Kolonialprojekt verfemt hin zu einem Verschwörungsglauben, der hinter Imperialismus und Kapitalismus grundsätzlich „den Juden“ vermutet, in Theorie und Praxis durchaus fließend. In der Agitation sogenannter propalästinensischer Protescamps, die an zahlreichen Unis ins Kraut geschossen sind, gerinnt der Kampf gegen den bösen Zionismus oft zum Kampf für die Befreiung der Menschheit. Die zum Fetisch avancierten Palästinenser gelten hier als Avantgarde im Kampf für das Gute. Ein regionaler Konflikt zwischen Bevölkerungsgruppen bekommt eine heilsgeschichtliche Bedeutung. Auf den erhofften Sieg der Palästinenser gegen die israelische Besatzungsmacht wird der Wahnglaube einer Befreiung der Menschheit von einem vermeintlich global agierenden Zionismus projiziert. Der Weltverschwörungsmythos klingt hier unverhohlen an, erlösungsantisemitischer Wahn wird für jede und jeden offenbar. Zwar gibt es nicht zuletzt im deutschsprachigen Raum auch eine laute antisemitismuskritische Linke, die Judenhass in Theorie und Praxis bekämpft. Diese ist seit dem 7. Oktober nach jetzigem Stand nicht kleiner geworden. Doch leider auch nicht größer, wie es aktuell scheint. Analyse und Kritik des Antisemitismus sind nach wie vor kein wesentlicher Teil der dominierenden linken Theorieproduktion. Anstatt, dass 10/7 ein Fanal gewesen wäre, um das Weltbild der wirklichen Welt anzupassen, scheinen viele sogenannte progressive Geister sich noch tiefer in ihrem theoretischen Weltimitationsgewölbe zu verbunkern als bislang. Die kurze Offenbarung der moralischen Schwächen ihrer unterkomplexen Betrachtung der Welt hat eine narzisstische Kränkung befördert, die die Abwehr der Wirklichkeit noch intensiviert und den Wunsch erzeugt, sie wieder in die Theorie einzusperren, aus der sie am 7. 10. zu entkommen drohte. Paradoxerweise muss man dieser Tage konstatieren: Viele postkoloniale „Linke“ werden den Juden den 7. Oktober nicht vergeben können, so wie Deutsche oft den Juden die Shoah übelnehmen, die sie zu Nachfahren des Tätervolkes macht. Mithin gilt heute insgesamt abermals das, was der Schriftsteller und Holocaustüberlebende Jean Améry schon nach dem Sechs-Tage-Krieg feststellen musste: Das weite Teile der weltweiten Linken nicht bereit sind, mit Juden Empathie aufzubringen. So fühlen sich nicht zuletzt linksstehende Juden, wie die Soziologin Eva Illouz, seit dem 7. Oktober oft schmerzlich allein. Vielen von ihnen beginnt nun zu dämmern, dass die Revolution ihrer vermeintlichen Genossinnen nicht ihre ist, ja nicht sein kann, weil die Welt, die die heutige Linke sich wünscht, für Jüdinnen und Juden keine bessere ist, im Gegenteil, sie wäre noch schlimmer als diese. Man sollte indes niemals den Fehler begehen, auf der rechten Seite nach Hilfe zu suchen. Zwar gerieren sich rechtspopulistische Akteure aus taktischen Gründen manchmal israelfreundlich – vor allem, um ihrer hassgetränkten Agitation gegen Migranten mehr Nachdruck zu verleihen, ihren dumpfen Rassismus zu nobilitieren und Juden und Muslime gegeneinander auszuspielen. Gleichzeitig aber rezitieren sie konstant antisemitische Verschwörungsnarrative, etwa mit dem Mythos vom „großen Austausch“, der die Migranten aus muslimischen Ländern zu stumpfen Objekten eines heimlichen Plans von als jüdisch gelesenen Eliten erklärt. Antisemitismus ist das Tiefenfundament im ideologischen Gebäude (neu)rechter Akteure. Man darf sich keine Illusionen machen: Das Erstarken rechtspopulistischer Akteure, von der AfD und ihren Schwesterparteien, ist für Jüdinnen und Juden eine riesige Gefahr, genau wie für Muslime und andere Minderheiten. Judenhass ist letztlich ein Querfrontphänomen, er formt eine illustre Empörungsgemeinschaft. Scheinbar widersprüchliche Akteure finden sich im Hass auf „den Juden“ zusammen. So befürwortet die Nazi-Partei NPD, die sich inzwischen in „Die Heimat“ umbenannt hat, die sich progressiv wähnende Bewegung BDS, die zum Boycott gegen Israel aufruft. Postkolonial inspirierte Studierende, etwa an der Columbia University, verehren die Quassam-Brigaden der Hamas und preisen die Märtyrer der Mordbataillone. Radikale Islamisten und völkische Faschisten sind ohnehin vereint in ihrem Hass auf Frauen, Demokratie und „die Juden“ als „dunklem Prinzip der Moderne“. Antisemitismus kommt überall vor, rechts und links und in der Mitte der Gesellschaft, in der Schule, der Uni, im Verein, und im Büro, in der Kirche, der Moschee und im bourgeoisen Feuilleton. Die Ereignisse in Israel und in Palästina haben unserer vielfach zerklüfteten Gesellschaft eine weitere sichtbare Trennlinie beschert, die quer zu ihren übrigen Frakturen verläuft. Zwischen den Hardcore-Judenhassern und Tendenz-Antisemiten auf der einen, formt sich ein Lager auf der anderen Seite, das Antisemitismus als solchen benennt. Auch wenn die Kritik oft vergeblich zu sein scheint, kennt die Aufklärungsarbeit keine Alternative. Man muss sich also weiter um jene bemühen, die keine geschlossenen Weltbilder haben, auch wenn man hier Sisyphos-Arbeiten verrichtet. Auch sollte man sich trotz und wegen allem, was geschieht, trotz der furchtbaren Folgen des 7. Oktober für jüdische Menschen überall auf der Welt, und natürlich auch für zahlreiche Menschen in Gaza, für einen langfristigen Frieden engagieren, das heißt jene moderaten israelischen und palästinischen Kräfte, die noch immer an die Möglichkeit einer Koexistenz glauben, zum Dialog motivieren. Man darf sich vor dem Leid der Palästinenser nicht verschließen, muss aber auch verdeutlichen, dass dieses Leid nicht bloß Israel anzulasten ist, sondern vielfach auf die Kappe von Akteuren wie Hamas geht, die sich bei nicht wenigen Menschen der Region nach wie vor großer Beliebtheit erfreut – und das obwohl sie einen maßgeblichen Beitrag dazu leistet, dass ein Staat Palästina bislang nicht existiert. „Propalästinensisch“ müsste mithin bedeuten, zwar gegen die fundamentalistischen Teile der jüdischen Siedlerbewegung und die Regierung Netanjahu zu protestieren, doch auch gegen die Gräuel des politischen Islam. Wer „für Palästina“ und nicht bloß „gegen Israel“ ist, müsste der Hamas eine Kriegserklärung machen. Proisraelisch und propalästinensisch sind keineswegs antagonistisch zu verstehen, auch wenn das in der aktuellen Lage so erscheint. Ein Frieden ist möglich, wenn auch kompliziert. Eine ambiguitätstolerante Betrachtung ist die mentale Voraussetzung dafür. Einer redlichen Kritik an Politikformen Israels, die nicht von Antisemitismus geprägt ist, von Dämonisierung, Delegitimierung, Derealisierung und doppelten Standards, können auch Antisemitismuskritiker stets mit offenen Ohren begegnen. Dem tendenziell antisemitischen Geraune, das weite Teile des Diskurses zum Nahostkonflikt grundiert, manchmal ohne, dass die Leute verstehen, was sie sagen, gilt es indes lautstark entgegenzutreten.
19. Oktober 2024
Am 7. Oktober fand in der Citykirche in Aachen eine Gedenkveranstaltung statt unter dem Motto „Erinnern-Mahnen-Gedenken, verbunden mit einem Spendenaufruf für den von der Hamas geschändeten Kibbuz Nir Oz. Veranstalter waren die Deutsch-Israelische Gesellschaft Aachen e.V., die Jüdische Gemeinde Aachen, die Citykirche und das Gedenkbuchprojekt. Ungefähr 350 Menschen waren gekommen, um des Überfalls der Hamas zu gedenken und ein Zeichen der Solidarität zu setzen mit den jüdischen Menschen und dem Staat Israel. Die Vorsitzende, Elisabeth Paul, erinnerte daran, dass dieser bestialische Überfall im kollektiven Gedächtnis verankert werden müsse, damit Bekenntnisse, wie „nie wieder ist jetzt“ und „wehret den Anfängen“ nicht zu bloßen Slogans verkommen. Dem Antisemitismus müsse in all seinen Erscheinungsformen entgegnen getreten werden. Er dürfe nicht nur rechts verortet werden. Sie sehe dies als die große politische und gesellschaftliche Herausforderung. Dennoch dürfe man die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Geiseln befreit werden. Sie halte an der Vision eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Israelis und Palästinenser*innen weiterhin fest, obwohl der Weg dorthin weit sei. In ihrem Grußwort betonte Bürgermeisterin Hilde Scheidt die Notwendigkeit, unsere Demokratie gegen all ihre Feinde zu schützen. Die evangelische Pfarrerin Sylvia Engels verwies in ihrem äußerst engagierten Redebeitrag auf die Einzigartigkeit des Massakers und die antisemitische Botschaft, die sowohl in der Tradition mittelalterlicher antisemitischer Narrative, wie der Ritualmordlegende stehe, als auf in der Tradition des christlichen Antijudaismus. Christoph-David Piorkowski, freier Journalist und Autor machte einen furiosen Ritt durch allle Facetten des Antisemitismus, insbesondere die nach dem 7. Oktober brandaktuellen und gefährlichen Allianzen rechter, linker und islamistischer Aktivisten. Die Bedrohung jüdischen Lebens veranschaulichte er an Bespielen postkoloniales Aktivitäten an vielen Unis weltweit.
8. Juni 2024
Wie jede Woche veranstaltete das Junge Forum gemeinsam mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen eine Mahnwache gegen jeden Antisemitismus und für die Befreiung aller Geiseln, als es gestern zu einem politisch motivierten Angriff auf einen Mahnwachenteilnehmer kam. Mehrere Personen saßen im unmittelbaren Umfeld unserer Mahnwache und fielen negativ auf, da sie während der Mahnwache mehrere Male den Mittelfinger zeigten und aus dem Hintergrund heraus durch Gesten provozierten. Zu dem Zeitpunkt spielte ein Pianist auf unserer Mahnwache das Lied “Shalom Aleichem” (Friede sei mit euch), ein traditionelles Lied, welches zum Shabbat gesungen wird. Ohne vorangegangene Reaktion unsererseits traten zwei der drei Personen an einen Demoteilnehmer heran und entrissen ihm gewaltsam eine Israel Flagge und zerstörten den Metallstab an dem die Fahne befestigt war. Mit der Israel Fahne in der Hand rannten sie weg. Nachdem sie einige Meter entfernt waren, schmissen sie die Flagge auf den Boden und traten mehrere Male auf die Fahne. Nachdem einige MahnwachenteilnehmerInnen in ihre Richtung gingen um die Flagge wieder zu bekommen liefen sie mit der Flagge davon. Es ist nicht das erste Mal, dass wir als Junges Forum verbalen Angriffen ausgesetzt sind, doch diese Aktion gestern stellt einen vorläufigen Höhepunkt in einer Reihe von Vorfällen dar. Wer bereit ist gewaltsam eine Mahnwache zu stören, die sich, sowohl thematisch als auch in den Redebeiträgen für einen Kampf gegen Antisemitismus einsetzt, zeigt sein wahres Gesicht und ist Antisemit. Wir sprechen unsere volle Solidarität mit dem betroffenen Teilnehmer aus und kritisieren diese eindeutig aus Israelhass motivierte Aktion aufs Schärfste. Wir werden weiterhin jede Woche unseren Kampf gegen Antisemitismus fortsetzen und fühlen uns durch den heutigen Vorfall in der Wichtigkeit unseres Anliegen nur bestätigt. Ebenso sind wir tief besorgt über den seit Wochen ausbleibenden fehlenden polizeilichen Schutz unserer Mahnwachen. Trotz wöchentlicher Bitte um Schutz, schafft die Polizei es nicht uns zu schützen. Junges Forum bei Instagram: https://www.instagram.com/jufo.aachen?utm_source=ig_web_button_share_sheet&igsh=ZDNlZDc0MzIxNw== Berichte in den Medien Erster Artikel in der Aachener Zeitung https://www.aachener-zeitung.de/lokales/region-aachen/aachen/staatsschutz-ermittelt-nach-antisemitischem-vorfall-bei-mahnwache/14015006.html Späterer Artikel in der Aachener Nachrichten https://www.aachener-zeitung.de/lokales/region-aachen/aachen/antisemitischer-vorfall-tatverdaechtiger-identifiziert/15166280.html Artikel auf yonu News https://www.yonu.news/uebergriff-auf-mahnwache-zur-solidaritaet-mit-israel/
8. Juni 2024
Wie jede Woche veranstaltete die Deutsch-Israelische Gesellschaft Aachen e.V. gemeinsam mit dem „JungenForum“ der DIG eine Mahnwache auf dem Münsterplatz für die Freilassung der Geiseln, gegen jedenAntisemitismus und für ein Zeichen der Solidarität mit dem jüdischen Staat, als es zu einem politischmotivierten Angriff auf einen der Teilnehmenden kam. Mehrere Personen, die im Umfeld saßen, fielen durchZeigen des Mittelfingers und andere provozierende Gesten negativ auf. Zu diesem Zeitpunkt spielte ein Pianistauf unserer Mahnwache das Lied „Shalom Aleichem“ (Friede sei mit euch), ein traditionelles Lied, das zumShabbat gesungen wird. Ohne Reaktion unsererseits traten plötzliche zwei der drei Personen an einen Demoteilnehmer heran undentrissen ihm gewaltsam eine Israel Flagge, mit der sie wegrannten. Nachdem sie einige Meter entfernt waren,schmissen sie sie auf den Boden und traten mehrere Male darauf. Nachdem einige Teilnehmende der Mahnwache in ihre Richtung gingen, um die Flagge wieder zu bekommen liefen die Angreifer mit der Flaggedavon. Es ist nicht das erste Mal, dass wir verbalen Angriffen ausgesetzt sind. Immer wieder werden wir verbal attackiert,immer wieder lachen umstehende Menschen, während die Namen der Geiseln verlesen werden. Doch wer bereit ist, gewaltsam eine Mahnwache zu stören, die sich sowohl thematisch als auch in denRedebeiträgen für einen Kampf gegen Antisemitismus einsetzt, zeigt sein wahres Gesicht als Antisemit. Wir sind tief besorgt über den seit Wochen ausbleibenden Polizeischutz unserer Mahnwachen. Unsere Mahnwachen sehen wir als ein besinnliches, friedliches Format, das sich unterscheidet von Hassskandierenden Demos. So wollen wir unter anderem jüdischen Menschen Solidarität zeigen und ihnen das Gefühl geben, sich zumindesteine Stunde in der Woche als Jude und Jüdin zu uns zu gesellen und sich geschützt zu fühlen unter Menschen, dieihnen Empathie entgegenbringen. In Zeiten, in denen Jüdinnen und Juden sich wieder in die Anonymität begeben und sich verstecken, in denen sichAntisemitismus in all seinen Ausprägungen weltweit ausbreitet, bedarf ein solches Format umso mehr desSchutzes der Polizei. Wir werden unsere Mahnwachen fortsetzen, jeden Freitag von 17 bis 18 Uhr auf dem Münsterplatz vor dem Dom. Wir bleiben dabei — Am Israel Chai! Elisabeth Paul, 1. Vorsitzende DIG Aachen e.V. Felix Kehren, Vorsitzender „Junges Forum“ der DIG Aachen e. V.
7. Juni 2024
Am Freitag, den 07.06.2024, fand um 17:00 Uhr wieder unsere wöchentliche Mahnwache am Münsterplatz in Aachen statt. Dieses Mal haben musikalische Begleitung durch den Pianisten Luis Castellanos, aber es fand leider auch ein tätlicher Übergriff auf Teilnehmende der Mahnwachse statt. Dazu finden Sie unter diesem Text unsere Pressemitteilung zu diesem Thema. Organisiert wird die wöchentliche Mahnwache vom Jungen Forum Aachen und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen. JuFo bei #Instagram: https://www.instagram.com/jufo.aachen?igsh=amRkdnJzZzNpZWc1 Text, vorgetragen durch Elisabeth Paul auf der Mahnwache am 07.06.2024 Kein anderer Krieg in der Geschichte aller Kriege stand unter solch einer internationalen Beobachtung, keine andere Armee musste sich ihren schlimmsten Feinden gegenüber so höflich verhalten, keine andere Nation musste die Verbrecher ernähren, die ihre eigenen Leute ermordeten und entführten, kein anderer Soldat musste so nachsichtig mit den Menschen sein, die ihre Frauen vergewaltigten und ihre Kinder und Eltern bei lebendigem Leib verbrannten. Kein anderes Land wurde jemals mehr gehasst und in Frage gestellt, weil es sich verteidigte, kein anderes Volk, egal in welchem Land der Welt, wurde mehr schikaniert, beleidigt, bestraft, mit Sanktionen belegt, belogen, von Unterstützern des Online-Terrorismus entmenschlicht und täglich von Terroristen angegriffen und bombardiert. Kein anderes Land hatte mehr gegen sich selbst gerichtete UN-Resolutionen, kein anderes Land, das von Terroristen aller Art und aus allen Teilen seines Landes angegriffen wurde, wurde jemals als „Terrorstaat“ bezeichnet, wenn es seine Bürger verteidigte. Kein anderes militärisches Beweismaterial über terroristische Kriegsverbrechen wurde von der WHO und anderen offiziellen Stellen mehr ignoriert. Kein anderes wirklich besetztes Gebiet – wie Nordzypern von der Türkei oder die Krim von Russland … – hat jemals die Straßen oder Universitätsgelände mit solch absurdem und erbärmlichem „Aktivismus“ überflutet, für ein Land, das sich vor Oktober nie um sie gekümmert hat. Keine andere Frau, egal welcher Nation oder Religion, wurde mehr angezweifelt oder weniger unterstützt als die israelischen Frauen. Keine andere Geisel, egal aus welchem Terroranschlag, wurde von der öffentlichen Meinung mehr ignoriert, kein anderes BABY auf der Welt wurde 8 Monate lang entführt, während dieser Zeit weder UNICEF, noch ROTES KREUZ, noch AMNESTY … , niemand hat auch nur einmal darüber getwittert oder seine Gefangenschaft in Frage gestellt … Willkommen im Antisemitismus, der neuen Saison. Produziert vom Iran und radikalen Islamisten auf der ganzen Welt.
31. Mai 2024
Am Freitag, den 31.05.2024, um 17:00 Uhr fand am Münsterplatz in Aachen unsere wöchentliche Mahnwache statt, gegen jeden Antisemitismus, für die Freilassung aller Geiseln und die Solidarität mit Israel. Wir hatten Luis Castellanos als musikalische Begleitung angekündigt. Der musste leider kurzfristig absagen und wird nun am 07.06.2024 dabei sein. Es gab aber wieder viele Interessierte und ein paar gute Reden. Folgt uns für weitere Infos zu Terminen und Neuigkeiten! JuFo bei Instagram: https://www.instagram.com/jufo.aachen?igsh=amRkdnJzZzNpZWc1 Rede von Maria Kehren von Omas gegen Rechts Aachen, vom 31.05.2024 Ein Tour-Guide in Auschwitz beendete die Führung durch das Vernichtungslager mit den Worten: „Ich möchte, dass Sie alle von hier weder Wut noch Hass mitnehmen, sondern dass Sie einfach freundlich zueinander sind, denn hier haben Sie gesehen, wohin der Hass führen kann.“ Mein Name ist Maria Kehren und ich bin eine OMA GEGEN RECHTS. Eins unserer Hauptanliegen ist auch der Kampf gegen Antisemitismus und ich freue mich, dass ich ein paar Worte an euch richten darf. Es geht bei dieser Mahnwache weder um den Krieg in Gaza noch um unschuldige getötete Zivilisten oder die Netanyahu Regierung. Es geht darum, dass jüdische Menschen weltweit wieder in Angst leben. Und das nur weil sie jüdisch sind. 2022 habe ich in Jerusalem einen Davidstern gekauft, den ich seitdem trage und der mir viel bedeutet. Kürzlich sprach ich mit einer jüdischen Frau darüber, warum ich diesen Stern trage. Sie sagte: „Sie sind nicht jüdisch, Sie können ihn tragen, ich aber bin jüdisch und kann ihn deshalb nicht tragen.“ Es hat mich sehr beschämt, dass der Antisemitismus in Deutschland wieder so erstarkt ist, dass Menschen ihre jüdische Identität in der Öffentlichkeit lieber verstecken. Vor einigen Monaten habe ich mir noch gewünscht, dass es eines Tages überflüssig sein wird, dass die Polizei Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland bewachen muss. „Dann ist es endlich so, wie es sein soll“ habe ich mir immer gesagt. Mittlerweile sind wir aber meilenweit davon entfernt. Doch was hat ein jüdischer Mensch in Berlin, Columbia oder Paris damit zu tun, was in Gaza passiert? Es gibt kein weiteres Volk auf der Welt, das permanent für Ereignisse quasi in Sippenhaft genommen wird. Israel ist ein fantastisches, weltoffenes, demokratisches Land - das einzige demokratische Land im Nahen Osten –umgeben von Feinden, von denen ihm viele die Vernichtung wünschen oder diese sogar als Staatsräson haben. Es war bis zum 7. Oktober 2023 der einzige (relativ) sichere Staat für Jüdinnen und Juden. In Israel leben Menschen jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens friedlich zusammen und haben die gleichen Rechte. Am Eingang eines Restaurants in Haifa steht ein Schild mit der Inschrift: „We Welcome all sizes, all colors, all ages, all sexes, all religions, all types, all beliefs, all people are safe here.“ DAS ist Israel! Antisemitismus aber ist geprägt von Hass. Orkun Sensebat hat bei der ersten Mahnwache vor vier Wochen von der Uhr im Iran gesprochen. Diese Uhr auf dem Palästinaplatz in Teheran läuft rückwärts und zählt die Tage, die Israel noch maximal bis zu seiner Vernichtung verbleiben. Die Vernichtung Israels ist in vielen islamistisch geprägten Gesellschaften ein wichtiges Element. Die Omas gegen Rechts setzen sich auch für geflüchtete Menschen ein und warnen davor, grundsätzlich alle muslimischen Menschen unter Generalverdacht zu stellen. Allerdings wünschen wir uns endlich eine ganz deutliche Stellungnahme der Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland, die sich von antisemitischen Kundgebungen distanziert. Antisemitismus ist nichts Neues. Es gibt ihn in unterschiedlichen Ausprägungen schon seit Jahrhunderten, doch heute glauben wir aus der Vergangenheit gelernt zu haben und überall heißt es: „Nie wieder“ und doch wir schauen wieder zu, schweigen oder empören uns vom Sofa aus in sozialen Netzwerken, wenn in Deutschland „Yalla Yalla Intifada“ oder „From The River to the Sea“ skandiert wird. Ja, es ist unbequem, aus der Komfortzone zu kommen. Doch es ist nötig, wenn wir tatsächlich aus der Vergangenheit gelernt haben wollen. Die größte Unterstützung für die Nationalsozialisten kam durch die schweigende Bevölkerung. Doch auch unser Schweigen ist nach wie vor viel zu laut und unser Schweigen wirkt als Katalysator für den Antisemitismus in Deutschland. Es beginnt bereits im privaten Umfeld, in der Familie, am Arbeitsplatz und bei Freunden und Bekannten. Wir gehen immer noch lieber einem eventuellen Konflikt aus dem Weg, anstatt Farbe zu bekennen. Dabei gibt es auch tatsächlich noch viele Menschen, die einige Dogwhistles oder gängige Synonyme gar nicht kennen. Tatsächlich wissen viele Menschen zum Beispiel nicht, dass der Spruch „Jedem das Seine“ über dem Tor von Buchenwald stand und sind sogar dankbar, wenn man sie darauf hinweist. Viele Synonyme oder Codes für Antisemitismus kennen noch lange nicht alle. Deshalb sollten wir auf jeden Fall immer etwas sagen! Ich möchte dazu aufrufen, JETZT alles zu tun, damit niemand seinen Kindern und Enkeln erklären muss, wie es „so weit“ kommen konnte. Geht zu Gedenkveranstaltungen! Unterstützt interreligiöse Projekte, klärt über antisemitische Begriffe und Verschwörungserzählungen auf! Organisiert euch und geht zu Gegenprotesten der israelfeindlichen Demos. In Berlin stand eine Frau ganz alleine als Gegenprotest mit einem Schild, auf dem „Vergewaltigung ist kein Widerstand“ stand. Sie musste von etlichen Polizisten geschützt werden. Wie viel einfacher wäre es, wenn sie durch viele Menschen unterstützt würde? Ich freue mich sehr, dass seit vier Wochen diese Mahnwache stattfindet und dass ihr hier seid – bei jedem Wetter. Trotzdem frage ich mich, wo die vielen anderen Menschen sind, die „nie wieder“ skandieren? Ich wünsche mir, dass diese Mahnwache jede Woche größer wird und ganz deutlich zeigt: „wir sind mehr“. Ich möchte mit einem Zitat aus dem Buch von Rachel Hanan schließen. Sie hat Auschwitz überlebt und sie sagt: „Hasst nicht und schweigt nicht!“ Vielen Dank und Am Israel Chai!
25. Mai 2024
Rede von Elisabeth Paul, 1. Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen e.V. Ich freue mich, dass heute so viele Menschen gekommen sind, um gemeinsam 75 Jahre Grundgesetz zu feiern, die Basis der demokratischen Verfassung unserer Bundesrepublik, also einen doppelten Geburtstag. 75 Jahre Grundgesetz bedeutet auch: 75 Jahre Freiheit, 75 Jahre Frieden, 75 Jahre „offene Gesellschaft“. Und dass Sie und Ihr heute hier so zahlreich erschienen sind, bedeutet ein klares Bekenntnis zu diesen Werten, zu unserer Demokratie, für Völkerverständigung, für Freiheit, Menschenwürde und Selbstbestimmung, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen und gegen Rechtsextremismus. Und das ist dringender denn je, denn Demokratie ist kein Selbstläufer, sie braucht Wachsamkeit und die ständige Unterstützung der Menschen, die in ihr leben, Menschen wie Ihnen und Euch, die seit Monaten auf die Straße gehen und Gesicht zeigen für unsere Demokratie. §1 des Grundgesetzes lautet „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Unser Grundgesetz garantiert die Entfaltung der Persönlichkeit, die freie Meinungsäußerung, die Gleichheit von Frauen und Männern, die Glaubensfreiheit, „…..sofern die Rechte anderer nicht verletzt werden.“ Nur in einer liberalen Demokratie kann man als Mensch entspannt leben, auch wenn man nicht mit der jeweiligen Regierung in allem übereinstimmt. Doch der Weg Deutschlands zum Grundgesetz führt durch die Erfahrungen zweier Weltkriege, durch die Abgründe des Nationalsozialismus, durch die Menschheitsverbrechen des Holocaust. Und so ist das Grundgesetz die rechtliche Antwort auf die Erniedrigung und Auslöschung der Individuen durch ein System planmäßiger Willkür, systematischer Erniedrigung und letztlich Ermordung im sogenannten Dritten Reich. Und daran erinnert die Ausstellung des Gedenkbuchprojekts. Ca 1000 Kurzportraits von Holocaustopfern, nicht nur 6 Millionen jüdischen Menschen, sondern auch Roma und Sinti, Homosexuellen, sogenannten Asozialen, Kommunist*innen, Sozialist*innen und Sozialdemokrat*innen, Zeug*innen Jehovas, kurz, alle, die die menschenverachtende völkische Ideologie als nicht lebenswert erachtete. Es ist immer wieder wichtig, zu erinnern, den Opfern ein Gesicht zu geben, die wahnsinnige Zahl mit Einzelschicksalen zu konkretisieren zu versuchen, das Ausmaß etwas begreiflich zu machen. Seit Jahren erleben wir weltweit und auch in Europa ein Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien, ob in Schweden, Finnland, Polen, Ungarn, Spanien, Italien oder auch in unserem Nachbarland, den Niederlanden. Und auch unsere Demokratie und die Freiheiten, die in ihrer Verfassung festgeschrieben sind, sind bedroht von Verfassungsfeind*innen innerhalb und außerhalb des Parlaments. Die Veröffentlichung der „Remigrationspläne“, die die AFD auf ihrer „Potsdamer“ Konferenz diskutierte, hat die Menschen aufgeschreckt, erschaudern lassen und wecken schlimmste Erinnerungen. Sie sind konkret, betreffen Verwandte, Freunde, Nachbarn, letztlich auch einen selbst. Sie, die unseren Wohlstand mitgeschaffen haben, die seit Generationen mit und unter uns leben, sollen abgeschoben, vertrieben, ihrer Heimat beraubt werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen uns schützend vor sie stellen! Doch dürfen wir nicht vergessen, dass auch jüdische Menschen sich bedroht fühlen. Wenn auch die AFD vorgibt, jüdisches Leben zu schützen, so ist dies nur ein weiterer Trick, um die Gesellschaft zu spalten. In den 10 Jahren, in denen diese Partei in Parlamenten, Talkshows und sozialen Medien ihr Unwesen treibt, verbreitet sie ihre rassistische, antisemitische und völkische Ideologie, hetzt gegen Minderheiten und bietet scheinbar einfache Lösungen an. Ob sie von „Umvolkung“ sprechen oder von „wohltemperierten Grausamkeiten und dem unvermeidlichen Verlust einiger Volksgruppen“, ob es das „Mahnmal der Schande“ (alias Holocaustmahnmal), ist oder die Shoah als „Vogelschiss in der Geschichte“. Ob es antisemitische Chiffren sind, wir die Geldeliten, die Globalisten oder Weltverschwörungsideologien, wie wir sie in der Coronazeit ausgiebig gehört haben, wo das internationale Judentum für die Pandemie verantwortlich gemacht wurde. Der Holocaust kam nicht aus heiterem Himmel. Nein, er hatte eine Vorgeschichte. Und die begann mit Theorien, mit Phantasien von wertem und unwertem Leben, die man schon in den zwanziger Jahren in Hitlers „Mein Kampf“ hätte lesen können. Es folgten konkrete Ausgrenzungen, Markierungen von Menschen, die als nicht deutsch aussortiert wurden, mit dem Boykott jüdischer Einrichtungen und gipfelte schließlich im Holocaust. Und aus diesem Menschheitsverbrechen, das in der Geschichte einzigartig ist, ist die Erkenntnis und das Bekenntnis „Nie wieder“ gewachsen, das inzwischen zu einer fast inflationär genutzten Floskel zu verkommen droht. Füllen wir es wieder mit Leben! Bekennen wir uns zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung! Agieren wir als Demokrat*innen gemeinsam und machen keine neuen Fronten auf! Bilden wir breite Bündnisse gegen die wirklichen Feinde unserer Demokratie! Beschleunigt durch die Erfahrungen der Shoah wurde 1948 auf Basis eines UN-Beschlusses der Staat Israel gegründet, um Jüdinnen und Juden nach jahrtausendelanger Verfolgung eine „sichere Heimstätte“ zu gewähren. Und die Sicherheit dieses einzigen jüdischen Staates weltweit, die als Lebensversicherung für Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt fungiert, ist Teil der deutschen Staatsräson. Doch weder ist die Hoffnung auf einen sicheren Hafen für jüdische Menschen weltweit in Erfüllung gegangen, noch wird die deutsch Staatsräson Israels gelebt. Wir erleben seit dem fürchterlichen Überfall der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres einen unvorstellbaren Hass auf den Staat Israel als auch auf jüdische und israelische Menschen weltweit. Man kann Israels Politik und Netanyahu kritisieren, aber das Recht auf Selbstverteidigung muss man dem jüdischen Staat zugestehen. Ob die Kriegsführung verhältnismäßig ist, wer kann das wirklich beurteilen angesichts einer hybriden Kriegsführung, bei der die Hamas sich hinter der Zivilbevölkerung und unter zivilen Einrichtungen versteckt. Die Frage, die sich mir immer wieder stellt ist die, warum nicht mit gleicher Vehemenz, mit der Israel aufgefordert wird, einem Waffenstillstand zuzustimmen, die Hamas aufgefordert wird, die Geiseln frei zu lassen und die Waffen niederzulegen. Der Terror der Hamas hat Jüdinnen und Juden weltweit traumatisiert und sendet weltweit Botschaften aus, sie zu töten. So erleben wir derzeit weltweit und auch in unserem Land, auch in unserer Stadt einen Antisemitismus in all seinen Ausprägungen. Er ist nicht nur rechts zu verordnen, sondern ebenfalls links, in der Mitte der Gesellschaft und auch in muslimischen Kontexten. Dabei ist der israelbezogene Antisemitismus, der klar zu unterscheiden ist von legitimer Kritik an der israelischen Regierung, derzeit der aggressivste, macht er doch Israel zu dem Juden unter den Staaten und nimmt jüdische Menschen weltweit in die Verantwortung für das, was in Gaza geschieht. Es kann und das darf nicht sein: Dass wir 75 Jahre Grundgesetz feiern und zulassen, dass das fundamentale Grundrecht der Gleichheit für „nicht deutsche Menschen“ und für Jüdinnen und Juden nicht gilt, Dass Jüdinnen und Juden allein auf Grund ihres „Jüdischseins“ ausgegrenzt, bespuckt, beschimpft, ausgeschlossen werden, dass Jüdinnen und Juden hier bei uns verantwortlich gemacht werden für das, was in Gaza geschieht dass Jüdinnen und Juden Angst um ihr Leben haben, dass Jüdinnen und Juden sich wieder unsichtbar machen. Das Schicksal und das Leid der Palästinenser*innen in Gaza ist schwer zu ertragen. Es berührt jede und jeden, auch uns von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Doch sehen wir die Verantwortung für dies unermessliche Leid bei der Hamas, die ihre eigene Bevölkerung in Geiselhaft genommen hat. Sie allein ist in der Lage, das Leid sofort zu beenden, wenn sie die Geiseln frei lässt und die Waffen niederlegt. Was mir besonders am Herzen liegt, ist, dass wir den Gesprächsfaden untereinander nicht abreißen lassen, und dies meine ich nicht nur unter gesellschaftlichen Gruppen, sondern auch in der Politik dass wir aus der „Wir und Ihr-Rhetorik“ herausfinden und Gemeinsamkeiten erkennen, dass wir uns zuhören dass wir andere Meinungen ertragen dass wir das Leid der jeweils „anderen“ Seite versuchen, zu verstehen dass wir keinen Hass zulassen Wir alle, die wir in diesem Land leben, sind Menschen, wie Michel Friedmann es in seinem eindrucksvollen Vortrag formulierte, jüdische Menschen, christliche, muslimische, atheistische, männliche, weibliche und queere Menschen. Alle haben wir nach unserer Verfassung dieselben Rechte, die unantastbare Menschenwürde, die Glaubens- und Meinungsfreiheit und vieles mehr. Nutzen wir diese Grundrechte konstruktiv zur Festigung unserer Gesellschaft und lassen wir es nicht zu, dass Menschen diese grundrechtlich verbrieften Freiheiten dazu nutzen, unsere Demokratie und eben diese Freiheiten abzuschaffen. Feiern wir heute diesen doppelten Geburtstag. Senden wir ein starkes Signal in unsere Gesellschaft und in die Welt für Demokratie gegen die Autokrat*innen, Imperialist*innen, Theokrat*innen ………..
17. Mai 2024
Am Freitag, den 17. Mai fand unsere 2. Mahnwache auf dem Münsterplatz statt. Trotz heftigen Regens, kamen ca. 40 bis 50 Menschen, um der Geiselopfer zu gedenken, die nun seit mehr als sieben Monaten unter unvorstellbaren Bedingungen in unterirdischen Gängen von der Hamas gefangen gehalten werden. Kinder, Männer, Frauen. Niemand weiß, ob sie noch leben. Ute Haupts von der UWG merkte in ihrem nachdenklichen Redebeitrag ihren Wunsch nach einem Leitfaden oder Kompass an, um sich in der schwierigen Lage orientieren zu können. Tim Herkens von der FDP thematisierte den grassierenden Antisemitismus, insbesondere die Angriffe auf die israelische Teilnehmerin auf dem ESC, sowie die aggressiven Camps an vielen Hochschulen, die sich als palästinasolidarisch darstellen, aber Israel- und Judenhass predigen. In weiteren, auch kritischen Redebeiträgen wurde die Politik Netanjahus kritisiert und die Frage nach der Angemessenheit der militärischen Operationen gestellt. Die nächste Mahnwache findet am kommenden Freitag, den 24.5.2024 um 17 Uhr auf dem Münsterplatz statt. Der für die letzte Mahnwache vorgesehene musikalische Beitrag des Pianisten Luis Castellanos wird bei der übernächsten Mahnwache, am Freitag, den 31.5.2024 stattfinden.
10. Mai 2024
Am Freitag, den 10. Mai um 17 Uhr fand die erste gemeinsame Mahnwache der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen e.V. und des Jungen Forums“ der DIG Aachen auf dem Münsterplatz am Aachener Dom statt. Zwischen 50 und 70 Menschen nahmen teil (Vertreter*innen von im Rat vertretenen demokratischen Parteien, Passant*innen, die zufällig vorbeikamen, Mitglieder der DIG Aachen und des JuFo der DIG Aachen). Elisabeth Paul, die 1. Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen e.V. sprach einige einleitende Worte, in denen sie darauf hinwies, dass mit dieser nun wöchentlich stattfindenden Mahnwache drei Ziele verfolgt werden: 1. das Gedenken an die immer noch in Geiselhaft befindlichen Geiseln, 2. ein starkes Statement gegen jede Form des Antisemitismus, 3. und ein Zeichen der Solidarität mit dem jüdischen Staat Israel, ausdrücklich nicht mit der derzeitigen Regierung. Nach einer Rede vom Vorsitzenden des neu gegründeten „Jungen Forums“ der DIG Aachen e.V. Felix Kehren, sprachen die Bürgermeisterin der Stadt Aachen, Hilde Scheidt. Anschließen sprachen Orkun Şensebat (Vorsitzender des Ortsvorstandes der Grünen in Aachen), Sebastian Becker (Ratsherr der SPD Fraktion im Aachener Stadtrat) und weiteren Vertreter*innen der Aachener Kommunalpolitik. Nach dem offiziellen Teil kam es zu angeregten Gesprächen. Es war ein starkes Zeichen! In den kommenden Tagen werden wir hier die Reden veröffentlichen.
16. März 2024
Vielen Dank an alle, die am 16.03.2024 in der Citykirche in Aachen beim Benefiz Konzert für den Kibbuz Nir Oz waren. Insgesamt waren mehr als 100 Gäste dort und an dem Abend sind 1.300€ an Spenden zusammengekommen. Zusätzlich sind bisher 400€ auf dem Spendenkonto eingegangen. Zum Einstieg wurde die Ha Tikwa vorgetragen durch den kolumbianischen Pianisten Luis A. Castellanos, 1. Preisträger des Chopin-Wettbewerbs in Kolumbien, und dem Sänger Liam Hen. Nach der feierlichen Begrüßung durch Elisabeth Paul, 1. Vorsitzende der DIG Aachen, und dem Grußwort von Hilde Scheidt, Bürgermeisterin der Stadt Aachen, zeigte Petra Hemming Bilder aus dem Kibbuz Nir Oz, vor und nach der Zerstörung durch die Hamas. Sie war in der Woche vor dem Konzert im Kibbuz Nir Oz und hat sich vor Ort ein Bild machen können. Am Tag vor dem Konzert kehrte sie aus Israel zurück, um von ihren Eindrücken berichten zu können. Dann folgte das großartige Konzert von Luis A. Castellanos und Liam Hen. Anschließend berichtete Petra Hemming von ihren Besuchen im Kibbuz Nir Oz. Sie berichtete, dass bei dem terroristischen Angriff viele Einwohner von Nir Oz in ihren Häusern ermordet wurden, Häuser zerstört und niedergebrannt wurden und Zivilist:innen nach Gaza entführt wurden. Petra Hemming setzt sich seit langem für ein faires Israelbild, jüdisches Leben in Deutschland und gegen Antisemitismus ein. Sie hat einige Zeit in Israel gelebt und bereist das Land seit über 45 Jahren. Unmittelbar nach dem mörderischen Angriff der Hamas auf den Süden Israels hat sie mit anderen Mitstreiter*innen einen Solidaritätspartnerschaftsverein gegründet, der die Menschen im Kibbuz Nir Oz unterstützt. Der Vorstand des Vereins Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e.V. steht im ständigen Kontakt mit seinen Freunden aus Nir Oz und generiert im engen Austausch Hilfsprojekte. Der Verein möchte seinen Beitrag leisten, dass Nir Oz wieder aufgebaut wird. Wer den Verein beim Wiederaufbau des Kibbuz unterstützen möchte, kann das durch Spenden für den Aufbau des Gartens in Kiyat Gat, Manpower beim Anlegen des Gartens, Unterstützung im Verein und bei der Pflege der langjährigen Partnerschaft. Spenden für den Wiederaufbau des Kibbuz Nir Oz können Sie auf das folgende Konto überweisen: Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach - Nir Oz e.V. IBAN: DE 50 3706 2600 4048 2270 10 BIC: GENODED1PAF VR Bank eG Bergisch Gladbach
Karlspreis 2024

Karlspreis 2024


Wir freuen uns sehr darüber, dass der Karlspreis 2024 an den Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften Europas geht! 

Herzlichen Glückwunsch!


Lesen Sie hier unsere Stellungnahme zur Wahl des diesjährigen Karlspreisträgers und  hier den Bericht der Aachener Zeitung.


Umfangreichere Informationen finden Sie auf der auf der offiziellen Webseite des Internationalen Karlspreises zu Aachen.

Wir sind Aachen

Wir sind Aachen


Am 27.01.2024 fand eine große Kundgebung gegen Rechts in Aachen statt, bei der ca. 20.000 Menschen dabei waren! Bei der Kundgebung wurden sehr gute Reden gehalten und später gab es noch ein paar musikalische Beiträge. Für die Deutsch-Israelische Gesellschaft Aachen hat unsere erste Vorsitzende, Elisabeth Paul, eine Rede gehalten. Diese finden Sie hier.


Hier können Sie die gesamte Veranstaltung streamen.

Die Aachener Zeitung hat am 08.11.2023 ein Interview mit Elisabeth Paul, der Vorsitzenden der DIG Aachen, zur Situation der Juden in Aachen veröffentlicht. Der Artikel ist leider hinter einer sogenannten Bezahlschranke. Wenn Sie ein Abo bei der AZ bezitzen, können SIe den Artikel vollständig lesen.  Dafür klicken Sie bitte auf die Flagge!

Die Aachener Zeitung hat am 08.11.2023 ein Interview mit Elisabeth Paul, der Vorsitzenden der DIG Aachen, zur Situation der Juden in Aachen veröffentlicht.

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Dafür klicken Sie bitte auf die Flagge!

Hier finden Sie die Rede der DIG Vorsitzenden Elisabeth Paul zur Solidaritätskundgebung am 15.10.23 am Markt Aachen

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